Die Regiothek wurde für die Zukunft entwickelt. Leider ist dein Browser veraltet und unterstützt möglicherweise einige Techniken nicht mehr. Daher kann es zu Anzeigeproblemen kommen.

Du kannst z.B. Browse Happy besuchen um einen aktuellen Browser herunterzuladen.

Artikel

Wohn-Wahnsinn: „Wir leben in Ruinen, das Amt zahlt und die Konzerne machen Gewinne“

Es ist eine Reportage, die wohl viele Menschen fassungslos hinterlässt.

11/23/2025
  • Deutschland
Wohn-Wahnsinn: „Wir leben in Ruinen, das Amt zahlt und die Konzerne machen Gewinne“

Es ist eine Reportage, die wohl viele Menschen fassungslos hinterlässt. Wie die deutsche TAGESSCHAU aufzeigt, haben sich die staatlichen Ausgaben für Wohnungen in den letzten Jahren deutlich erhöht, obwohl immer weniger Menschen Bürgergeld beziehen. Um satte 20 Prozent ist der Mietaufwand gestiegen, der von den Jobcentern an private Wohnkonzerne wie VONOVIA überwiesen wird.

Die feiern Rekordgewinne und können Milliarden an ihre Aktionäre ausschütten, der Staat aber muss immer tiefer in die Tasche greifen, um Wohnungen zu finanzieren, die noch dazu an Qualität einbüßen. Ein Mieter wird in der Reportage treffend zitiert: „Wir leben in Ruinen, das Amt zahlt und die Konzerne machen Gewinne.“ Eine Beschwerde gegen unrechtmäßige Mieterhöhungen wird aber kaum eingebracht.

Der jüngst in der Tagesschau veröffentlichte Beitrag mit dem Titel „Der Staat zahlt, die Aktionäre kassieren“ wirft ein schonungsloses Licht auf die Situation großer Wohnungsunternehmen in Deutschland – und liefert zugleich wichtige Ansatzpunkte, um die Wohnungsmarkt-Dynamiken auch in Österreich zu betrachten.

Im Kern steht die Feststellung, dass börsennotierte Wohnungsunternehmen in Deutschland erhebliche Profite erwirtschaften – und ein nicht unerheblicher Teil dieser Erträge direkt an Aktionäre ausgeschüttet wird, während Mieterinnen und Mieter zugleich mit steigenden Kosten, knappen Angeboten und wachsendem Druck am Wohnraum-Markt konfrontiert sind. Der Beitrag argumentiert, dass staatliche Rahmenbedingungen – etwa günstige Finanzierungsbedingungen, Wohnraumförderung oder niedrig verzinste Kredite – indirekt mit dazu beigetragen haben, dass sich dieses Geschäftsmodell für die Unternehmen ausgezahlt hat; gleichzeitig aber die verbindliche Umverteilung zugunsten der Mieterinnen und Mieter bzw. einer sozial orientierten Wohnraumversorgung weitgehend ausblieb.

Deutschland: Geschäftsmodell, Kritik und Folgen

In Deutschland zeigt sich bei der Analyse großer Wohnungsunternehmen ein klarer Trend: Die sogenannten Abschöpfungsquoten – also der Anteil der Mieteinnahmen, der als Dividende oder Ausschüttung an Aktionäre fließt – sind auffallend hoch. So wird für das Jahr 2021 angegeben, dass im Schnitt rund 41 Cent von jedem Euro Mieteinnahme bei den Aktionären landeten. Damit steht ein Geschäftsmodell im Fokus, das auf die Rückvergütung an Investoren ausgelegt ist – weniger auf die Senkung von Mieten oder den verstärkten Neubau von bezahlbarem Wohnraum. Wichtiger Kritikpunkt: Viele dieser Unternehmen investieren zwar – aber nicht in dem Maße, wie es angesichts des Wohnraummangels zu erwarten wäre.

Eine Studie weist darauf hin, dass große Wohnkonzerne wie Vonovia SE kaum Interesse am Neubau haben, weil der Fokus primär auf Ausschüttungen und Gewinnmaximierung liegt. Gleichzeitig mussten diese Unternehmen jüngst erhebliche Wertminderungen vornehmen; die Markt- und Finanzbedingungen haben sich verschärft: Steigende Zinsen, erhöhte Baukosten und zunehmender regulatorischer Druck setzen das Geschäftsmodell unter Stress. Auf der politischen Ebene wächst die Debatte: Gewerkschaften und Vertreter des Mieterschutzes fordern staatliche Eingriffe, teilweise sogar eine Teilverstaatlichung großer Wohnungskonzerne, um Einfluss auf Mietpreisbildung und Neubauaktivitäten zurückzugewinnen. Zudem wird diskutiert, ob solche Unternehmen, die im Kern dem Finanzmarkt gegenüber verpflichtet sind, überhaupt geeignet sind, eine gemeinwohlorientierte Wohnungsversorgung sicherzustellen.

Die Konsequenzen für Mieterinnen und Mieter sind spürbar: Wohnkosten-Belastung steigt, Neubau bleibt hinter Bedarf zurück, und Wohnraum in attraktiven Lagen wird zunehmend knapper. Während also die Unternehmensgewinne wachsen und Aktionärinnen und Aktionäre profitieren, stellt sich die Frage, inwiefern diese Profite zur Stabilisierung oder Entlastung des Wohnungsmarktes beitragen.

Österreich: Strukturen, Unterschiede und Herausforderungen

In Österreich ist der Wohnungsmarkt etwas anders strukturiert – mit einer stärkeren Tradition gemeinnütziger Wohnbaugesellschaften und einer höheren öffentlichen Beteiligung am Wohnungsbestand. Dennoch sind auch hier die Herausforderungen groß: Knappheit von Mietwohnungen, steigende Bau- und Finanzierungskosten sowie zunehmender Druck auf die Wohnkosten.

Eine Studie der Arbeiterkammer Wien betont, dass eine zu starke Ausrichtung auf private Wohnungsanbieter allein nicht ausreiche, „eine gute Wohnversorgung (…) langfristig und nachhaltig zu sichern.“ In Wien etwa hat das kommunale Unternehmen Wiener Wohnen einen bedeutenden Bestand – rund 209.000 Wohnungen, was etwa 25 % des Gesamtbestands und über 30 % des Mietwohnungsmarktes dort entspricht. bid.info Dennoch wird auch in Wien beobachtet, dass im privaten Segment die Mieten sowie Nebenkosten weiter steigen und neue Angebote nur langsam entstehen.

Zudem hat sich im österreichischen Markt gezeigt, dass die Boomphase des Immobilienmarktes ins Stocken geraten ist: Im Jahr 2023 sank das Transaktionsvolumen bei Eigentumswohnungen deutlich, und in Wien gingen die Preise um etwa 5,6 % zurück. Das zeigt: Der Druck auf die Wohnkosten bleibt bestehen, aber die Dynamik wandelt sich – was bedeuten könnte, dass früher leicht realisierbare Renditen für Wohnungsinvestments schwieriger werden.

Gemeinsame Perspektiven & Bedeutung

Beide Länder – Deutschland und Österreich – zeigen, dass die Wohnungswirtschaft heute nicht mehr allein als Infrastruktur- oder Sozialaufgabe verstanden wird, sondern zunehmend auch als Investitionsfeld mit Renditeerwartung. Im deutschen Fall liegt der Fokus auf großen, börsennotierten Unternehmen, deren Ziel es ist, jährliche Ausschüttungen zu sichern. Im österreichischen Fall spielt das gemeinnützige Segment eine größere Rolle, dennoch wird auch hier deutlich, dass Marktkräfte, Finanzierungsbedingungen und Regulierung das Geschehen prägen.

Die gesellschaftliche Relevanz ist enorm: Wohnen ist Grundbedürfnis, aber auf einem Markt, in dem Anbieter auf Rendite optimieren, ist die Gefahr groß, dass das Wohnungs-Gut zunehmend zu Investitionsware wird. Das kann sich für Mieterinnen und Mieter in höheren Kosten, schlechterer Erschwinglichkeit oder geringerer Neubauleistung niederschlagen. Gleichzeitig muss die Frage gestellt werden, ob und wie staatliches Handeln regulierend und lenkend wirken kann – durch Neubauprogramme, Mietpreisbegrenzungen, Förderung gemeinnütziger Anbieter oder durch Kontrolle großer Wohnungskonzerne.

Im weiteren Verlauf wird sich zeigen, ob die Wohnungsunternehmen ihre Geschäftsmodelle an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen – z. B. durch geringere Ausschüttungen, stärkere Investitionen in Bestand und Neubau, oder ob der Druck von Politik und Öffentlichkeit eine Umsteuerung erzwingt. Für Mieterinnen und Mieter bleibt spannend, ob diese Umsteuerung rechtzeitig gelingt – angesichts steigender Lebenshaltungskosten, Wohnraummangel und der Erwartung nach bezahlbarem Wohnen.

Die gesamte Reportage kann man hier nachsehen.


In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!

Jetzt abonnieren
Logo Oekoreich

Werde Mitglied bei oekoreich+ und erhalte Zugang zu unseren Top-Stories und exklusive Einblicke.

Mehr erfahren

Jetzt weiterlesen

oekoreich möchte ein bestmögliches Onlineangebot bieten. Hierfür werden Cookies gespeichert. Weil uns Transparenz wichtig ist können Cookies und die damit verbundenen Funktionalitäten, die nicht für die Grundfunktion von oekoreich notwendig sind, einzeln erlaubt oder verboten werden.
Details dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung. Dort kannst du deine Auswahl auch jederzeit ändern.