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Reportage

Tote Tiere am Bauernhof: Neuer Fall als Spitze eines gigantischen Eisbergs

Als Tierärzte und Behördenbeamte den abgelegenen Bauernhof in Österreich betraten, bot sich ihnen ein Bild des Schreckens

12/8/2025
  • Landwirtschaft
  • Deutschland
  • Tiere
  • Österreich
Tote Tiere am Bauernhof: Neuer Fall als Spitze eines gigantischen Eisbergs

Als Tierärzte und Behördenbeamte den abgelegenen Bauernhof in Österreich betraten, bot sich ihnen ein Bild des Schreckens: Eine tote Kuh, ein verendetes Kalb und mehrere weitere Tiere, die sichtbar abgemagert, schwach und vernachlässigt waren. Laut Krone-Bericht hatten einige der Rinder kaum noch Kraft, standen in verdreckten Stallbereichen und wirkten, als hätten sie über längere Zeit keine angemessene Versorgung erhalten.

Für die Beamtinnen und Beamten war schnell klar, dass dieser Zustand nicht innerhalb weniger Tage entstanden war. Die Spuren des Leidens – eingefallene Flanken, stumpfes Fell, mangelnde Reaktion der Tiere, fehlendes Futter – deuteten auf eine länger andauernde Vernachlässigung hin. Während die toten Tiere abtransportiert wurden, blieb eine drängende Frage im Raum stehen: Wie konnte es wieder so weit kommen?

Leider kein Einzelfall

Dieser Fall steht symptomatisch für eine Entwicklung, die seit Jahren zu beobachten ist und im Jahr 2025 eine neue Sichtbarkeit erreicht hat. Kaum ein Monat vergeht ohne Meldung über unterernährte, verletzte oder völlig verwahrloste Nutztiere auf Bauernhöfen in Österreich, Deutschland und darüber hinaus. Die Dramatik des aktuellen Hofes liegt nicht allein in der Zahl der toten Tiere, sondern in der Normalisierung von Zuständen, die eigentlich strafrechtliche Relevanz haben müssten. Tierquälerei geschieht nicht nur dort, wo Brutalität sichtbar wird – sie passiert auch dort, wo Tiere schlichtweg ihrem Schicksal überlassen bleiben.

Der Fall erinnert unweigerlich an den Prozess in Oberösterreich Anfang 2025, bei dem Schweine, Kälber und Rinder aufgrund schwerer Vernachlässigung in einem erbärmlichen Zustand entdeckt wurden. Der Prozessverlauf zeigte, wie lang Tierleid unentdeckt bleiben kann: Misthaufen, verdreckte Stallböden, fehlendes Wasser, fehlende tierärztliche Versorgung. Obwohl Betroffene und Nachbarn schon zuvor Unregelmäßigkeiten wahrgenommen hatten, griffen Behörden erst ein, als die Zustände eskaliert waren. Die Betreiber des Hofs einigten sich schließlich auf eine Diversion, die für viele Beobachterinnen und Beobachter wie ein Hohn wirkte. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass die Bestrafung in keinem Verhältnis zum Leid der Tiere steht.

Immer wieder die gleichen Probleme

Ähnlich erschütternd war der Fall eines Hofs im Attergau, der 2024 großflächig öffentlich wurde und 2025 noch immer nachwirkt. 105 Rinder wurden in einem Stall gefunden, der in einem Zustand war, der kaum vorstellbar ist: in Kot erstickende Tiere, offene Wunden, eingewachsene Ketten, leere Futtertröge. 94 Tiere mussten notgeschlachtet werden – eine Zahl, die kaum fassbar ist und sich dennoch in die Serie wiederkehrender Skandale einfügt. Die Frage, wie viele Kontrollen über Jahre hinweg versäumt oder nur oberflächlich durchgeführt worden waren, blieb unbeantwortet.

Auch in Deutschland zeigte sich 2025 ein Bild systematischer Vernachlässigung. Besonders Aufsehen erregte ein Fall im Oberallgäu, bei dem 30 tote Rinder auf einem landwirtschaftlichen Betrieb entdeckt wurden. Einige Kadaver lagen offenbar seit Wochen, möglicherweise Monaten. Die noch lebenden Tiere standen knietief im Dreck, hatten offene Wunden und waren extrem abgemagert. Dieser Fall war nicht nur aufgrund seines Ausmaßes schockierend, sondern auch wegen der Vorgeschichte: Der Hof war mehrfach in den Jahren zuvor kontrolliert worden. Dennoch schien niemand Konsequenzen gezogen zu haben. Die Frage nach der Verantwortung stand im Raum, und erstmals rückten nicht nur die Tierhalter, sondern auch die Veterinärbehörden in den Fokus der Kritik.

Ein weiteres Beispiel aus dem selben Jahr betraf einen Almbetrieb, auf dem eine völlig entkräftete Kuh gefunden wurde, deren Zustand so kritisch war, dass sie trotz sofortiger tierärztlicher Hilfe nicht mehr gerettet werden konnte. Dieses Einzelschicksal wurde zum Symbol jener Tiere, die im Abseits der öffentlichen Wahrnehmung leiden. Denn nicht immer sind es große Bestände, die betroffen sind. Manchmal ist es ein einzelnes Tier, das über Monate hinweg unbemerkt in seiner Not verharrt.

Vielfältige Ursachen

Besonders brisant ist die Beobachtung, dass viele Missstände systemischer Natur sind. Tierschutzorganisationen dokumentierten 2025 erneut eine Reihe gravierender Probleme insbesondere in der Schweineindustrie: mangelnde Hygiene, Krankheiten, fehlender Zugang zu Wasser, beengte Ställe, psychischer Stress. Immer wieder werden Bilder veröffentlicht, die zeigen, wie Tiere in einem Umfeld gehalten werden, das keinem modernen Verständnis von Tierwohl entspricht. Doch trotz umfassender Dokumentationen bleibt der politische Wille für grundlegende Reformen gering. Es werden Debatten geführt, Studien erstellt, Minimalverbesserungen angekündigt – doch an der Realität in vielen Ställen ändert sich wenig.

Die Ursachen sind vielfältig. Ökonomischer Druck zwingt viele Landwirte dazu, mit minimalen Mitteln zu wirtschaften. Tierärztinnen und Tierärzte berichten immer wieder von Betrieben, deren Ressourcen kaum ausreichen, um selbst grundlegende Gesundheitsmaßnahmen sicherzustellen. Gleichzeitig wird von landwirtschaftlicher Seite betont, dass immer strengere Auflagen ohne entsprechende Unterstützung kaum zu erfüllen seien. Auf der anderen Seite stehen Konsumentinnen und Konsumenten, die zwar höhere Tierwohlstandards fordern, aber nicht bereit sind, signifikant höhere Preise für tierische Produkte zu bezahlen. Politik und Landwirtschaft verweisen gerne auf diesen Widerspruch, doch er erklärt nicht jene Fälle, in denen Tiere schlichtweg ihrem Schicksal überlassen werden.

Was der aktuelle Fall jedoch am deutlichsten zeigt, ist das Versagen eines Kontrollsystems, das eigentlich verhindern soll, dass Tiere sterben, weil niemand sie versorgt. Immer wieder kommen Berichte ans Licht, in denen Behörden erst dann eingreifen, wenn Nachbarn Alarm schlagen oder Tierschützer verdeckte Aufnahmen veröffentlichen. Präventive Kontrolle findet oft zu selten, zu oberflächlich oder mit zu wenig Konsequenzen statt. Der Fall im Oberallgäu belegt, wie problematisch das ist: Trotz zahlreicher amtlicher Besuche änderte sich am Zustand der Tiere nichts.

Tiere sind auf uns angewiesen

Der österreichische Fall reiht sich somit nicht nur ein in eine Kette dokumentierter Skandale, sondern er entlarvt die strukturellen Lücken, die solche Situationen erst ermöglichen. Jeder dieser Fälle wird von Empörung begleitet, von politischen Kommentaren, von Forderungen nach strengeren Regeln. Doch die Praxis zeigt: Solange Kontrollen nicht konsequent durchgeführt werden, solange Strafen milde bleiben, solange Tierwohl ein Kostenfaktor statt ein verpflichtender Standard ist, wird sich wenig ändern.

Trotz aller Diskussionen bleibt das Leid der betroffenen Tiere das Kernproblem. Tiere können nicht für sich sprechen, sie können nicht protestieren, keine Beschwerden einreichen und keine Pressekonferenzen geben. Sie sind auf jene angewiesen, die Verantwortung übernehmen. Und wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird – sei es aus Überforderung, Gleichgültigkeit oder wirtschaftlichem Druck –, dann entsteht genau das, was auf dem Hof der Krone-Reportage sichtbar wurde: ein Ort, an dem Tiere sterben, weil niemand hinschaut.

Der jüngste Fall sollte daher mehr sein als eine weitere Schlagzeile. Er sollte Anlass sein, über grundsätzliche Veränderungen nachzudenken – in der Landwirtschaft, in der Politik, in der Gesellschaft. Denn so lange wir Tierwohl als etwas betrachten, das sich den Marktmechanismen unterordnen muss, wird die Realität auch in Zukunft geprägt sein von Berichten über tote, kranke, unterernährte Tiere. Und jeder dieser Berichte ist einer zu viel.


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