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Verfahren eingeleitet: Jagd auf Fischotter in Österreich widerspricht Schutzbestimmungen

Die Auseinandersetzung um die Fischotterjagd in Kärnten hat eine neue, international bedeutsame Dimension erreicht.

12/25/2025
  • Umwelt
  • Österreich
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Verfahren eingeleitet: Jagd auf Fischotter in Österreich widerspricht Schutzbestimmungen
Tierschutz Austria

Die Auseinandersetzung um die Fischotterjagd in Kärnten hat eine neue, international bedeutsame Dimension erreicht. Was über Jahre hinweg vor allem regionalpolitisch und juristisch diskutiert wurde, steht nun im Fokus des europäischen Artenschutzrechts. Das Standing Committee der Berner Artenschutzkonvention, dem wichtigsten internationalen Gremium zum Schutz wildlebender Tierarten in Europa, hat festgestellt, dass die Kärntner Fischotterjagd-Verordnung gegen die Verpflichtungen der Republik Österreich aus dem völkerrechtlich bindenden Übereinkommen verstößt. In der Folge wurde ein offizielles Verfahren gegen Österreich eröffnet, das mindestens bis Herbst 2026 laufen soll. Damit wird die bisherige Praxis der pauschalen Entnahme streng geschützter Fischotter erstmals auf internationaler Ebene formell infrage gestellt.

Auslöser des Verfahrens ist die in Kärnten geltende Verordnung, die den Abschuss und Fang von Fischottern auf Grundlage fixer Quoten erlaubt. Diese Regelung war bereits in der Vergangenheit von Tierschutz- und Naturschutzorganisationen kritisiert worden, weil sie nach deren Ansicht weder auf einer ausreichenden wissenschaftlichen Grundlage beruht noch den strengen Anforderungen des internationalen Artenschutzes entspricht. Zwischen 2019 und 2024 wurden in Kärnten nach offiziellen Angaben 226 Fischotter getötet. Tierschutzorganisationen gehen jedoch davon aus, dass die tatsächliche Zahl höher liegt, da nicht alle Fälle lückenlos dokumentiert oder gemeldet worden seien. Der Europäische Fischotter gilt nach der Berner Konvention als streng geschützte Art, deren Tötung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist, wenn keine andere zufriedenstellende Lösung existiert und konkrete Schäden nachweisbar sind.

Begründung der Landesregierung unhaltbar

Das Standing Committee der Berner Konvention kritisierte insbesondere, dass Kärnten pauschale Abschusskontingente vorsieht, anstatt individuelle Einzelfallprüfungen durchzuführen. Nach internationalem Artenschutzrecht dürfen Ausnahmen vom Tötungsverbot nicht generalisiert werden, sondern müssen sich auf klar belegte, konkrete Situationen beziehen. Die Kärntner Praxis widerspricht diesem Grundsatz aus Sicht des Komitees fundamental. Zudem wurde beanstandet, dass in Kärnten Fangmethoden eingesetzt werden, die international als problematisch gelten. Dazu zählen sogenannte Conibearfallen, mechanische Totschlagfallen, die als nicht selektiv gelten und auch andere Tiere töten oder schwer verletzen können. In mehreren europäischen Ländern sowie in anderen österreichischen Bundesländern sind solche Fallen bereits verboten, was die Kritik an Kärntens Sonderweg weiter verstärkt.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die wissenschaftliche Begründung der Verordnung. Die Kärntner Landesregierung argumentiert seit Jahren, dass der Fischotter maßgeblich für den Rückgang bestimmter Fischarten verantwortlich sei und dadurch wirtschaftliche Schäden für Fischereibetriebe verursache. Das Standing Committee schloss sich jedoch der Einschätzung zahlreicher Studien an, wonach ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen der Präsenz von Fischottern und langfristig geschädigten Fischbeständen nicht eindeutig belegt ist. Vielmehr gelten Faktoren wie Gewässerverbauungen, Wasserkraftnutzung, Klimawandel, steigende Wassertemperaturen, Schadstoffbelastungen und der Verlust natürlicher Laichplätze als wesentliche Ursachen für den Rückgang vieler Fischarten. Die Reduktion komplexer ökologischer Probleme auf einen einzelnen Prädator werde der Realität der Gewässerökosysteme nicht gerecht, so der Tenor der internationalen Kritik.

Rechtliche Konsequenzen drohen

Besonders widersprüchlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass Kärnten einerseits den Schutz gefährdeter Fischarten wie des Huchens betont, andererseits aber notwendige Maßnahmen wie eine ganzjährige Schonzeit für diese Art bislang nicht konsequent umgesetzt hat. Tierschutzorganisationen sprechen daher von einer politischen Instrumentalisierung des Fischotters als Sündenbock für strukturelle Defizite in der Gewässerbewirtschaftung. Anstatt ökologische Ursachen systematisch anzugehen, werde mit der Tötung eines streng geschützten Beutegreifers ein symbolischer Konflikt gelöst, ohne die tatsächlichen Probleme zu beheben.

Die Berner Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, dem Österreich seit Jahrzehnten angehört und der den Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in Europa regelt. Verstöße gegen dieses Abkommen sind kein bloßes politisches Signal, sondern können rechtliche und diplomatische Konsequenzen nach sich ziehen. Mit der Eröffnung des sogenannten „Open File“-Verfahrens verpflichtet das Standing Committee Österreich dazu, regelmäßig Bericht zu erstatten und konkrete Maßnahmen vorzulegen, um die beanstandeten Verstöße zu beheben. Dabei beschränkt sich der Blick des Komitees nicht allein auf Kärnten. Österreich wurde aufgefordert, einen umfassenden Überblick über die Praxis der Fischotterentnahme in allen Bundesländern vorzulegen, in denen ähnliche Regelungen bestehen. Damit rückt auch die Verantwortung des Bundes stärker in den Fokus.

Verpflichtungen müssen ernstgenommen werden

Die Reaktionen auf die Entscheidung fallen unterschiedlich aus. Tierschutz- und Naturschutzorganisationen sprechen von einem Meilenstein für den Artenschutz und sehen ihre jahrelange Kritik bestätigt. Sie fordern die Kärntner Landesregierung auf, die Verordnung umgehend zurückzunehmen und auf nicht-letale Maßnahmen umzusteigen. Dazu zählen unter anderem ottersichere Zäune, technische Schutzvorrichtungen für Fischteiche, gezielte Beratung für Betroffene sowie ein langfristig angelegtes Gewässer- und Lebensraummanagement. Als positives Beispiel wird häufig das Burgenland genannt, wo Konflikte mit Fischottern weitgehend ohne Abschüsse gelöst werden konnten.

Vertreter der Kärntner Landespolitik hingegen betonen weiterhin die Notwendigkeit, die Interessen der Fischerei zu schützen, und verweisen auf wirtschaftliche Schäden. Gleichzeitig steht das Land nun unter erheblichem internationalem Druck, seine Argumentation und Praxis grundlegend zu überdenken. Denn die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das Standing Committee stellt keine unverbindliche Empfehlung dar, sondern eine klare Aufforderung zur Korrektur.

Der Konflikt um den Fischotter in Kärnten ist damit längst mehr als eine regionale Debatte. Er steht exemplarisch für den Umgang mit streng geschützten Arten in einer von menschlicher Nutzung geprägten Landschaft. Während die Rückkehr des Fischotters in vielen Teilen Europas als Erfolg des Naturschutzes gefeiert wird, zeigen die Auseinandersetzungen in Kärnten, wie fragil dieser Erfolg bleibt, wenn politische Interessen, wirtschaftlicher Druck und ökologische Realität aufeinandertreffen. Ob Österreich und insbesondere Kärnten die internationale Kritik zum Anlass nehmen, den Artenschutz konsequent und zukunftsorientiert neu auszurichten, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Das Verfahren der Berner Konvention macht jedoch deutlich, dass der Spielraum für nationale Sonderwege im Artenschutz begrenzt ist – und dass internationale Verpflichtungen auch auf Landesebene ernst genommen werden müssen.


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