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Jagd auf Fischotter: Sogar grausame Totschlagfallen werden eingesetzt

Der Fischotter gilt in Europa als Symbol für den gelungenen Naturschutz: Einst beinahe ausgerottet, kehrte er in die Flusslandschaften und Feuchtgebiete zurück

12/11/2025
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Jagd auf Fischotter: Sogar grausame Totschlagfallen werden eingesetzt

Der Fischotter gilt in Europa als Symbol für den gelungenen Naturschutz: Einst beinahe ausgerottet, kehrte er in die Flusslandschaften und Feuchtgebiete zurück, nachdem strengere Umweltgesetze, die Reduktion giftiger Schadstoffe und EU-weite Schutzbestimmungen seine Population langsam erholten. Doch ausgerechnet in Österreich, einem Land, das sich gerne als Vorreiter in Umweltfragen präsentiert, geriet dieser Erfolg in den vergangenen Jahren ins Wanken.

In mehreren Bundesländern, allen voran Kärnten, wurden Ausnahmeregelungen geschaffen, die es erlauben, Fischotter zu töten – offiziell, um wirtschaftliche Schäden in Fischteichen zu verhindern. Im Zentrum der Debatte steht jedoch eine Praxis, die weit über eine klassische Bejagung hinausgeht: der Einsatz von Totschlagfallen, die von vielen Fachleuten als rückständig, grausam und ökologisch kontraproduktiv eingestuft werden und in zahlreichen europäischen Ländern längst verboten sind.

Eigentlich streng geschützt

Um die Besonderheit der österreichischen Situation zu verstehen, lohnt der Blick auf den rechtlichen Rahmen. Der Fischotter steht in der EU auf der Liste streng geschützter Arten. Das bedeutet, dass er grundsätzlich nicht gefangen, verletzt oder getötet werden darf. Ausnahmen sind nur möglich, wenn konkrete Schäden nachgewiesen werden, keine andere praktikable Lösung existiert und der Erhaltungszustand der Population sichergestellt bleibt.

Naturschutzorganisationen kritisieren jedoch seit Jahren, dass diese Kriterien in Österreich häufig zu großzügig ausgelegt werden. Schäden an Fischteichen seien nur unzureichend dokumentiert, gleichzeitig werde nicht geprüft, ob Teichwirte überhaupt alle zumutbaren Schutzmaßnahmen ergriffen hätten. Die Debatte krankt an einer strukturellen Schieflage: Anstatt zuerst Prävention zu stärken, setzt die Politik vielerorts reflexartig auf Abschüsse.

Fast überall verboten: Totschlagfallen

Besonders kontrovers diskutiert wird der Einsatz von Totschlagfallen, die im Kärntner Jagdrecht zugelassen sind. Diese Fallen sollen, ihrem Namen entsprechend, das Tier sofort töten. In der Praxis funktionieren sie jedoch selten so präzise, wie die Theorie es verspricht. Fischotter besitzen kräftige Körper, sind wendig und können Fallen nicht immer in dem Winkel auslösen, für den der schnelle tödliche Schlag konstruiert wurde. Immer wieder dokumentieren Tierschützer Fälle, in denen Tiere nicht sofort starben, sondern schwer verletzt wurden und über Minuten oder länger litten, bevor sie verendeten.

Hinzu kommt die fehlende Selektivität: Eine Falle unterscheidet nicht zwischen einem Otter, einem Marder, einem Jungbiber oder einem Haustier. Aus diesem Grund gelten solche Methoden in vielen Ländern als unvereinbar mit modernen Tierschutzstandards und werden etwa in Deutschland, der Schweiz oder Teilen Skandinaviens nicht mehr eingesetzt.

Die Befürworter der Bejagung argumentieren, Fischotter würden erhebliche wirtschaftliche Schäden in der Teichwirtschaft verursachen. Tatsächlich fressen Otter Fische, und in schlecht gesicherten Teichen kann das zu Verlusten führen. Doch differenzierte Studien zeigen, dass solche Schäden fast ausschließlich in Anlagen auftreten, die keine oder nur unzureichende Präventionsmaßnahmen umsetzen. Elektrozäune, stabile Umfriedungen, Steilufergestaltung, technische Barrieren an Zu- und Abläufen – all diese Maßnahmen reduzieren Otterpräsenz nachweislich deutlich. In Bayern etwa, wo Schutzmaßnahmen systematisch gefördert werden, gehen die Konflikte seit Jahren zurück.

Keine verlässlichen Daten

Auffällig ist zudem, dass die Teichwirtschaft insgesamt nur einen kleinen ökonomischen Sektor darstellt, während der Naturschutzstatus des Otters europaweite Bedeutung hat. Die Frage, warum Österreich trotz verfügbaren Wissens und EU-Fördermöglichkeiten lieber auf Tötung als auf Prävention setzt, beschäftigt Experten seit Jahren.

Ein weiterer Knackpunkt in der Debatte ist der tatsächliche Bestand der Fischotter. Während manche Politiker von einer „Explosion der Population“ sprechen, kritisieren Biologen, dass es gar keine flächendeckende, methodisch einheitliche Bestandsaufnahme gibt. Lokale Beobachtungen können stark täuschen: Ein einzelner Otter nutzt ein großes Revier und kann mehrfach in kurzen Abständen beobachtet werden, was zu Fehleinschätzungen führt. Schätzungen schwanken beträchtlich, und viele Naturschutzfachleute warnen davor, auf dieser unklaren Datenbasis Jagdquoten oder Tötungsgenehmigungen zu legitimieren. Solange unklar ist, wie viele Otter tatsächlich in Österreich leben, bleibt auch unklar, ob ihr Erhaltungszustand langfristig gesichert ist.

Fangmethode im Widerspruch zur Verfassung

Ökologisch ist der Fischotter ein wichtiger Bestandteil gesunder Gewässersysteme. Er ernährt sich keineswegs ausschließlich von wirtschaftlich relevanten Großfischen, wie manche Gegner behaupten. Sein Nahrungsspektrum ist breit: Kleinfische, Amphibien, Krebse, Insektenlarven und andere Wirbellose bilden den Großteil. Dadurch hilft er, ökologische Gleichgewichte zu stabilisieren und auch invasive Arten zu regulieren. Die Anwesenheit des Otters gilt zudem als Indikator für saubere Gewässer – ein positives Signal für ein Ökosystem, das jahrzehntelang unter Belastungen litt. Den Fischotter zu bejagen bedeutet daher auch, ein funktionierendes, widerstandsfähiges Gewässerökosystem zu schwächen.

Tierschutzrechtlich ist die Verwendung von Totschlagfallen besonders problematisch. Österreich hat den Tierschutz in der Verfassung verankert; das gebietet, Tiere nicht unnötig leiden zu lassen. Doch gerade das geschieht bei dieser Fangmethode häufig. Dokumentierte Fälle verletzter Tiere, Berichte von Haustieren, die in solchen Fallen starben, sowie Videoaufnahmen, die das Leiden zeigen, illustrieren, dass die Methode der moralischen Verantwortung eines modernen Staates nicht gerecht wird. Selbst innerhalb jagdlicher Kreise mehren sich Stimmen, die Totschlagfallen als unwaidgerecht kritisieren.

Fischotter als Erfolgssymbol

Bleibt die Frage, warum Österreich – und speziell Kärnten – an dieser Form des Umgangs mit dem Fischotter festhält. Politische Beobachter verweisen auf die starke regionale Lobby der Teichwirtschaft, die es versteht, ihre Anliegen öffentlichkeitswirksam zu platzieren. Wenn Berichte über angebliche „Otterplagen“ die Medien prägen, entsteht gesellschaftlicher Druck, zu handeln – und zwar schnell. Abschüsse sind eine einfache, sichtbare Maßnahme, die politisch vermittelt werden kann, auch wenn sie das Problem langfristig nicht lösen. Prävention hingegen erfordert Investitionen, Beratung, Monitoring und Zeit. Doch genau diese Aspekte wären notwendig, um Konflikte nachhaltig zu minimieren.

Insgesamt zeigt die Debatte um die Fischotterbejagung, wie schwierig der Umgang mit geschützten Arten sein kann, sobald wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Doch die Entscheidung, Totschlagfallen zuzulassen und Otter zu töten, obwohl wissenschaftliche Alternativen existieren, sendet ein fragwürdiges Signal. Anstatt ein Beispiel für modernen Naturschutz zu setzen, riskiert Österreich seine Glaubwürdigkeit auf europäischer Bühne. Der Fischotter ist kein Feind, sondern ein Erfolgssymbol dafür, dass Renaturierung und Schutzmaßnahmen wirken. Ihn erneut als Problem darzustellen und mit Methoden zu bekämpfen, die ethisch und ökologisch nicht vertretbar sind, ist ein Rückschritt – und einer, der sich vermeiden ließe, wenn der politische Wille zur Umsetzung smarter, nachhaltiger Lösungen vorhanden wäre.


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