Ganze zwei Jahre ist es im Februar 2024 her, da hat einer der größten Gastronomiebetriebe Österreichs eine Kehrtwendung hingelegt, mit der damals wohl niemand gerechnet hätte. Entsprechend umfangreich war das mediale Echo, denn der Kontrast hätte nicht größer sein können: Ausgerechnet die XXXLutz-Restaurants, bis dahin eher für tiefe Preise und große Portionen bekannt, verkündeten Anfang 2022 einen kompletten Paradigmenwechsel.
Künftig werde man das Schweinefleisch für das berühmte Schnitzel nur noch aus Österreich beziehen, kündigte Gastro-Chef Andreas Haderer an. Und damit nicht genug, werde auch eine Tierwohl-Linie eingeführt, bei der die Haltung der Schweine sich ganz deutlich vom gesetzlichen Mindeststandard abhebt. Eine starke Ansage, auch in die eigene Branche hinein, denn die Gastronomie ist bekanntlich die große „Black Box“ der Lebensmittelversorgung.
So zeigte laut Brancheninsidern die Corona-Pandemie, in der bekanntlich die Restaurants und Hotels in Österreich über lange Zeit geschlossen bleiben mussten, wie wenig heimisches Fleisch in der Außer-Haus-Verpflegung konsumiert werde. Der Absatz von heimischen Erzeugnissen hat sich in der Zeit kaum geändert, was wohl der beste Beweis dafür ist, wie wenig davon wirklich in den Wirtshäusern und Restaurants auf den Tellern landet.
Schweinefleisch: 100 Prozent aus Österreich
Zurück zu XXXLutz: Was ist von der Ankündigung geblieben? Musste die Restaurantkette inzwischen die Ankündigung revidieren und auf Importware zurückgreifen? Haben die Konsumenten das neue Angebot angenommen und waren sie bereit die höheren Preise zu zahlen, die mit der garantierten Regionalität und dem Tierwohl verbunden sind? Zwei Jahre nach der großen Reform zieht der Großgastronom eine Bilanz – und die fällt erstaunlich aus.
Das Schweinefleisch für die Schnitzel ist nach wie vor zu 100 Prozent aus Österreich, die Portion samt Beilagen kommt mittlerweile auf 9,90 Euro. Für das Tierwohl-Schnitzel zahlt man 12,90 Euro, es verkauft sich besser als erwartet. Von 100 Schnitzeln stammen bereits 10 aus dem „Hofkultur“-Programm des Lieferanten Hütthaler aus Oberösterreich, wo es für die Tiere viel Freiluft, Stroh und regionale Futtermittel sowie maximale Stressreduktion gibt.
Eines Tages, so Haderer, könnten es gar bis zu 80 Prozent sein, die aus dem Tierwohl-Programm stammen. Wichtig sei ihm aber auch, dass das Angebot für alle Menschen leistbar bleibe. Deswegen liegt der erste Fokus auf der Regionalität, also auf der flächendeckenden Bereitstellung von Speisen, deren Zutaten nach Möglichkeit alle aus Österreich stammen. Ein hehres Ziel, von dessen Erreichung nicht alle ausgegangen sind. Auch Haderer selbst nicht.
Auch Frühstück zur Gänze aus Österreich
Denn dass es so gut läuft, das hätte Andreas Haderer vor zwei Jahren nicht gedacht. Das klassische XXXLutz-Publikum war tiefe Preise gewöhnt und der Umstieg auf teurere Zutaten daher ein Wagnis. „Auch beim Frühstück setzen wir inzwischen zu 100 Prozent auf Österreich, von der Butter über den Käse, vom Schinken bis zur Marmelade. Regionalität und Tierwohl sind für uns inzwischen eine Selbstverständlichkeit und es gibt auch keinen Weg zurück.“
Dass es ein Marathon und kein Sprint sein werde, dessen war sich Andreas Haderer damals bewusst. Absichtlich hat er beim Schweinefleisch und dem Schnitzel die Umstellung des gesamten gastronomischen Angebots der XXXLutz-Restaurants begonnen, immerhin verkauft er davon am meisten. Mehr als 9 Millionen zahlende Gäste beherbergt er jährlich in den Restaurants, die Veränderungen kommen also in der breiten Masse an.
Umso skeptischer waren anfänglich auch einige Menschen, ob die XXXLutz-Gastronomiebetriebe das heimische Fleisch tatsächlich dauerhaft im Sortiment halten werden, oder ob es sich dabei vielleicht nur um eine zeitlich befristete Aktion handelt. Inzwischen zweifelt niemand mehr an der ernsthaften Absicht und dem Durchhaltevermögen von Haderer und seinem Team. Und damit ist noch lange nicht Schluss.
Umstellung bei Geflügel wird „Herausforderung“
„Wir werden das Angebot weiter ausbauen“ kündigt Haderer im Gespräch mit oekoreich an. Nächste Etappe sind die Geflügelgerichte, auch sie sollen eines Tages zu 100 Prozent aus Österreich stammen. Eine ungleich größere Herausforderung als beim Schweinefleisch, immerhin sind die preislichen Unterschiede im Einkauf sehr hoch. Der bewährte Backhendl-Salat, ein Bestseller, stammt seit Anfang 2024 bereits komplett aus Österreich.
Ein Unterschied, den man schmeckt. „Das österreichische Hühnerfleisch ist mit der importierten Industrie-Ware nicht zu vergleichen. Das liegt an den Futtermitteln, an der Geschwindigkeit, mit der die Tiere wachsen, am Antibiotika-Einsatz und vielen anderen Dingen. Deswegen ist es mir so wichtig, dass wir auch beim Geflügel umstellen, denn das Huhn aus Österreich hat ein ganz anderes Leben“, so Haderer.
Vielen Menschen ist nicht klar, dass etwa die Eier in der österreichischen Gastronomie oft aus dem Ausland stammen. Sie begegnen einem in der Eierspeis, in der Schnitzel-Panier oder im Kuchenteig. Dass man damit oft auch Käfigeier aus Indien konsumiert, die in flüssiger Form nach Europa importiert werden, das wissen wohl die Wenigsten. Bei den XXXLutz-Restaurants kann das nicht passieren, denn hier stammen die Eier aus Österreich.
Den Bezug zum Lebewesen wieder aufbauen
Hinter der Regionalitäts-Offensive steckt aber nicht nur eine Portion Patriotismus, sondern auch ein gewisser Stolz als Koch. Haderer, der selbst jahrelang in der Küche stand und aus der Haubengastronomie kommt, möchte seine Gäste wieder zum ursprünglichen Geschmack zurückführen. „Die Menschen müssen wieder einen Bezug zum Lebewesen hinter dem Lebensmittel haben, das ist auch eine Frage des Respekts“, so Haderer.
Und zu den Produzenten, also den Bäuerinnen und Bauern. Die Industrieware aus dem Ausland stammt oftmals von Konzernen, woher die Tiere wirklich stammen, wie sie gelebt haben und wer an ihnen verdient, das bleibt oft im Dunkeln. Beim Hühnerfleisch aus Österreich kenne er die Familie persönlich, die sich um die Aufzucht der Tiere kümmere. Eine persönliche Beziehung, die er an seine Gäste in den Restaurants weitergeben kann.
Bewusster Konsum brauche Einblicke: „Ich finde es schade, wenn Kinder und Erwachsene heute nicht mehr wissen, von welchem Tier ihre Lebensmittel stammen. Dabei ist es wichtig das zu wissen, denn mit der eigenen Konsumentscheidung kann man viel beeinflussen. Wir sagen daher unseren Gästen, was wir ihnen auftischen. Und es wäre wichtig, dass es generell viel mehr Transparenz beim Essen gibt, auch und gerade in der Gastronomie.“
Angebot wird angenommen
„Wir wollen die heimische Landwirtschaft fördern, denn gerade beim Geflügel sind die Produktionsbedingungen ganz andere als etwa in Ungarn. Ich habe es in den letzten zwei Jahren beim Schweinefleisch erlebt, dass die Konsumenten es annehmen, wenn man ihnen ein regionales Angebot macht. Ich bin zuversichtlich, dass uns das auch beim Hühnerfleisch gelingen wird, auch wenn das wohl eine Zeit braucht“ so Haderer.
In der Landwirtschaft sind die XXXLutz-Restaurants inzwischen als große Freunde der heimischen Bauern bekannt und beliebt. Andreas Haderer ist sich dessen bewusst, dass er eine Pionier-Rolle einnimmt, denn in der Gastronomie dominiert nach wie vor das Importfleisch. Am Ende muss sich die Umstellung auch wirtschaftlich für die Restaurants rechnen, sonst lässt sich das nicht lange durchziehen.
Das große Geschäft muss Haderer aber nicht machen: „Die Marge ist in den letzten Jahren weitestgehend gleich geblieben, wir verdienen also am heimischen Schnitzel nicht mehr als an der Importware. Auch beim Tierwohl-Fleisch kommt zwar mehr beim Landwirten an, aber nicht bei uns. Das ist in Ordnung so, wir wollen gutes Essen zu fairen Preisen anbieten und freuen uns, wenn wir zu besseren Bedingungen für die Tiere beitragen können“.
Mehr Wertschätzung: Nichts geht verloren
Ein wesentlicher Baustein bei der Transformation der XXXLutz-Restaurant-Speisekarte hin zu mehr Regionalität und Tierwohl, ist auch der Anspruch, dem Tier und der bäuerlichen Arbeit mehr Wertschätzung entgegenzubringen – und zwar indem man das ganze Tier verwertet. So setzt Andreas Haderer nicht nur auf die bekannten „Edelteile“ der Schweine, sondern hat auch eine kulinarisch höchst ansprechende Verwendung für die anderen Teile gefunden.
Diese gesamtheitliche Sichtweise auf das Tier ist nicht nur im Sinne der Reduktion der Lebensmittelverschwendung, sondern wirkt sich auch positiv auf die Preisgestaltung aus. „Die vergleichsweise niedrigen Preise bei unseren Hofkultur-Produkten sind nur möglich, weil wir nichts wegwerfen und das ganze Schwein verarbeiten. Man muss sich dazu Gedanken machen und ein bisschen kreativ sein, aber es ist möglich“ so Haderer.
Damit trägt man indirekt auch zum Klimaschutz bei, denn klassischerweise ist es in der Verarbeitung von Tieren in der Landwirtschaft so, dass gewisse Teile nicht in der österreichischen Küche zum Einsatz kommen, sondern um die halbe Welt bis nach China verkauft werden. Diese Exporte sind in dem Fall nicht mehr notwendig, denn in einer sinnvollen Lebensmittel-Kreislaufwirtschaft geht so gut wie nichts verloren.
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