Wer nachhaltig einkaufen möchte, verlässt sich gerne auf Zertifikate und Gütesiegel. Ein Blick auf das Label und wir greifen, gerade bei nicht-regionalen Produkten, mit einem besseren Gewissen zu. Eines der wohl bekanntesten Logos ist der kleine Frosch der „Rainforest Alliance“. Doch hält die Organisation, was sie verspricht? Es regnet immer mehr Kritik von allen Seiten - deswegen hat oekoreich genauer hingesehen.
Was versprochen wird
Wer sich auf der Homepage über das Siegel informiert, der wird beruhigt: „Das Rainforest Alliance-Siegel fördert gemeinsame soziale und ökologische Anstrengungen. Dabei rückt es die positiven Auswirkungen verantwortungsbewusster Entscheidungen in den Fokus, angefangen von den Farmen und Wäldern bis hin an die Supermarktkasse. Anhand des Siegels erkennen Sie, welche Produkte die Zukunft für Mensch und Natur positiv beeinflussen und können somit bewusstere Kaufentscheidungen treffen.“
Doch gerade jüngste Recherchen, wie jene der Reportage des ZDF-Formats „Die Spur“, zeigen, dass dies in der Praxis nicht als schöne Worte sind. Ein Team an investigativen Journalist*innen ist nach Ecuador und Costa Rica geflogen und hat dort direkt mit den Arbeiter*innen von zertifizierten Bananenplantagen gesprochen. Was sie dort erfahren haben zeichnet ein ganz anderes Bild als das, was Rainforest Alliance anpreist.
Gekaufte Zertifizierung und manipulierte Kontrollen
Beschäftigte der Plantagen berichten den Journalist*innen, dass die Kontrollen, welche Partnerunternehmen durchführen, oft lange im Vorhinein angekündigt werden. Arbeiter*innen erhalten ausschließlich für diesen Zeitraum ihre Schutzkleidung. Danach müssen sie diese wieder abgeben und ungeschützt weiterarbeiten. Dass das ihre Gesundheit massiv gefährden kann, das scheint den Unternehmen egal zu sein.
Wenn die Beschäftigten bei den sogenannten „Audits“ befragt werden, müssen sie angeben, was ihnen vorgeschrieben wurde - egal, ob es der Wahrheit entspricht. Dabei erzählen sie von fairer Entlohnung, einer Sozialversicherung und der eingehaltenen Arbeitszeit. Eine unabhängige Befragung der Arbeitnehmer*innen gibt es nicht. Daher werden diese Kontrollen oftmals nur als „Show“ bezeichnet. https://www.rainforest-alliance.org/
Unlängst wurde etwa von einem Plantagenarbeiter vor Ort ein Video aufgenommen, das ein Flugzeug über der Bananenfarm zeigt, das gefährliche Pestizide versprüht. Darunter sieht man die Arbeiter*innen, die den giftigen Chemikalien unmittelbar und schutzlos ausgesetzt werden. Dieser, auf der Haut stark brennende, Pestizidregen kann extrem schädlich für Mensch und Umwelt sein.
Laut dem Arbeiter und Gewerkschafter Miguel Jimenez kommt es öfters vor, dass die Arbeiter*innen während ihrer Arbeitszeit mit Pestiziden regelrecht begossen werden. Und obwohl diese Praxis alles andere als ökologisch und sozial verträglich ist, trägt auch diese Bananenplantage ein Zertifikat der Rainforest Alliance. Im Supermarkt glaubt man also, dass die Bananen besonders „nachhaltig“ angebaut wurden.
Vernichtende Kritik
Die Gütesiegel-Organisation selbst scheint sich nicht für solche Informationen zu interessieren. Sie sehen keine Mängel im Kontrollsystem und geben zur Verteidigung an, dass sie nicht die Lösung für alle Probleme sein können. Dabei stellt sich allerdings folgende Frage: Wenn Rainforest Alliance sich hier nicht als zuständige Organisation bei eben solchen Problemen sieht - wofür steht dann ihr Siegel?
Sie bewerben sich als Zertifikationsorganisation für Nachhaltigkeit für Mensch und Natur und dennoch sehen sie bei Missständen nachweislich weg. Nicht ohne Grund übt die NGO „Oxfam“ heftige Kritik an dem Siegel und spricht gar von „Verbrauchertäuschung“. Eine vernichtende Kritik gibt es auch von unabhängigen Gewerkschaften:
„Die Rainforest Alliance ist gut darin, Geld zu verdienen. Im Jahr 2021 beliefen sich ihre Jahreseinnahmen auf 39 Mio. USD, was eine gute Rendite dafür ist, dass sie kaum etwas anderes tun, als einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, darunter auch Tee, ihren Stempel aufzudrücken. Für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gibt es keinerlei Vorteile.“
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