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Peter Wohlleben: „Es muss das Primat des Waldes gelten“

Autor & Förster Peter Wohlleben war vor kurzem zu Gast bei einer Diskussion der Stiftung COMÚN. Im Vorfeld wurde er zum Interview gebeten.

1/4/2024
  • Wald & Holz
  • Klima
  • Umwelt
Peter Wohlleben: „Es muss das Primat des Waldes gelten“
https://www.peter-wohlleben.de/ueber-mich

Auf Einladung der gemeinnützigen Bundesstiftung COMÚN fand am 12. Dezember 2023 in Wien eine besondere Diskussionsveranstaltung statt. In das Pressezentrum der Austria Presse Agentur (APA) geladen waren Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Fachbereichen, die eines vereint: Die Sorge um den Wald. Unter ihnen war auch Peter Wohlleben, der bekannte deutsche Förster und Autor, der ein Impulsreferat beisteuerte.

Wohlleben begeistert nicht nur ein Millionenpublikum mit seinen Perspektiven auf den Wald, er sorgt auch für ordentlich Kontroverse in der Forstszene. Nicht alle sind mit einen Ansichten einverstanden, dessen ist er sich auch bewusst. oekoreich hat ihn und den ebenfalls bei der Diskussionsveranstaltung „Klima & Wald“ mitwirkenden Forstdirektor Willibald Ehrenhöfer, getrennt voneinander zum Gespräch gebeten.

Es ging um die Nutzung des Waldes, die Funktion des Holzbaus sowie um politische Entscheidungen und gesetzliche Rahmenbedingungen. Im ersten Teil der zweiteiligen oekoreich-Interviewreihe kommt im Nachfolgenden zunächst Peter Wohlleben zu Wort. Seine Antworten auf unsere Fragen sind nicht gekürzt, sondern von ihm selbst schriftlich formuliert. Die gleichen Fragen haben wir übrigens auch Willibald Ehrenhöfer gestellt.

oekoreich: Liegt die Zukunft des Waldes Ihrer Meinung nach in seiner Außer-Nutzung-Stellung oder in einer ökologischen Bewirtschaftung?

Peter Wohlleben: Es gibt kein Entweder/Oder. Ohne Frage brauchen wir mehr geschützte Waldflächen oder generell mehr Wildnis mit geschützten natürlichen Prozessen. Dazu hat das Montreal-Abkommen vom letzten Jahr ja eine Steilvorlage geliefert. Wie viel geschützte Fläche wir brauchen, damit unsere Zivilisation überlebt (und genau darum geht es!), das kann niemand sagen. Daher kann der Konsens nicht lauten, deshalb so wenig wie möglich zu schützen, sondern so viel wie möglich.

Ich könnte mir 30 Prozent Schutzflächen vorstellen, daneben 70 Prozent auch holzwirtschaftlich genutzte Flächen, die allerdings viel schonender bewirtschaftet werden müssten. Schutzflächen leisten übrigens wirtschaftlich Hervorragendes, nämlich für das Lokalklima, für die Grundwasserneubildung, für die Resilienz der Ökosysteme (Biodiversität) und nicht zuletzt für die Erholung/Gesundheit - dies alles sind auch wirtschaftliche Aspekte.

oekoreich: Unter welchen Bedingungen kann eine ökologische Holznutzung Ihrer Meinung nach klappen?

Peter Wohlleben: Das ist ganz einfach: Es muss das Primat des Waldes gelten, das heißt, an erster Stelle kommt der Walderhalt. Ohne Wald kein Holz, so einfach und banal ist das, doch wenn wir uns aktuell draußen umschauen, dann scheinen das einige Waldbesitzende (auch öffentliche) noch nicht verstanden zu haben. Wie viel Holz wir in Zukunft aus diesem System abzapfen können, ohne es zu sehr zu schädigen, das kann in dieser Klima- und Umweltkrise mit sich laufend verändernden Rahmenbedingungen niemand seriös vorhersagen. 

oekoreich: Sehen Sie bspw. den Holzbau als ein Instrument im Kampf gegen den Klimawandel, etwa um die Verwendung von Beton zu kompensieren?

Peter Wohlleben: Auf keinen Fall. Holz ist ein wunderbarer Rohstoff, genau wie Weizen oder Baumwolle. Doch die Ernte ist niemals ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern zur Bedürfnisbefriedigung. Wälder auf eine Funktion als Kohlenstoffspeicher zu reduzieren, signalisiert nur, dass die viel wichtigeren Klimawirkungen wie Kühlung und Erhaltung der Wasserkreisläufe nicht verstanden wurden. Das können nur lebende Bäume leisten. Daneben ist jede Holznutzung wie ein Aderlass, der bei angeschlagene Waldökosystemen nicht gerade deren Gesundung fördert. Und nicht zuletzt gibt es all das Holz gar nicht, welches die Initiatoren solcher Kampagnen munter verplanen.

oekoreich: Vielen Menschen, insbesondere in Städten, fehlt inzwischen der persönliche Bezug zum Wald. Wie können wir wieder stärkere Bezüge aufbauen?

Peter Wohlleben: Ich persönlich setze auf emotionale Bindung. Das hat beim Sauren Regen, dem Ozonloch und dem Schutz der Meeressäuger bestes funktioniert und zeigt, dass wir das schützen, was wir lieben. Deshalb hilft es meiner Meinung nach sehr, wenn wir alle mehr über das Leben der Bäume und all ihrer Mitgeschöpfe erfahren. Logischerweise liebt das die Forstwirtschaft weniger, weil dann deren Maßnahmen kritischer hinterfragt werden - doch genau das brauchen wir jetzt. 

oekoreich: Wenn Sie die politischen Entscheidungen treffen könnten – wie würden Sie den gesetzlichen Rahmen hinsichtlich Waldnutzung und Waldbewirtschaftung anders gestalten als derzeit?

Peter Wohlleben: Ich würde den Maschineneinsatz begrenzen, denn mittlerweile ist der Großteil befahrbarer Böden schwer geschädigt. Daneben sollte ein Kahlschlagsverbot gelten sowie ein Verbot des Anbaus nicht standortheimischer Baumarten. Die schwere Krise, in die die Forstwirtschaft gerade steuert, hat ihre Ursachen ja nicht nur im Klimawandel, sondern im Anbau von Monokulturen und deren maschineller Bearbeitung.

Ja, ich rede von Verboten - ohne die funktioniert unsere Gesellschaft nunmal weder im Straßenverkehr, im Steuerrecht noch im Umweltschutz. Und die Forstwirtschaft hatte jetzt über 100 Jahre Zeit, relativ unreglementiert zu zeigen, wie ernst sie es mit dem Erhalt des gemeinschaftsgutes Wald meint. Das Resultat sind nun großflächig absterbende Monokulturen, die fieberhaft durch neue ersetzt werden. Hier sollten wir als Gesellschaft in das Steuerrad eingreifen.


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