Wenn von Merinoschafen die Rede ist, dann denken die meisten Menschen wohl automatisch an Australien. Das Land ist der weltgrößte Produzent für Merinowolle, global betrachtet kommt die beliebte Edelwolle fast ausschließlich von dort. Doch für viele ist die australische Wolle ein Tabu, wird sie doch oft unter Anwendung von „Mulesing“ gewonnen, einer barbarischen Form der betäubungslosen Hautentfernung zur Parasitenvermeidung.
Ursprünglich stammt das Merinoschaf eigentlich aus Afrika und ist in Europa seit mehreren Jahrhunderten heimisch, vor allem in Spanien. Diese muss übrigens regelmäßig geschoren werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Tiere unter der enormen Menge an Wolle zu Leiden beginnen. Eine stete Quelle der Wollproduktion quasi. In Österreich wird die edle Wolle aber nicht primär in der Form genutzt, wie man das vielleicht denken würde.
Die Waldviertler Merinoschafe
Tatsächlich wird ein Großteil der Wolle derzeit ins Ausland verkauft, ein Grund dafür ist, dass nur wenige Ressourcen zur Waschung und Verarbeitung in Österreich vorhanden sind. Stattdessen wird sie in Form von Pellets zum Düngen eingesetzt. Die Wolle wird in den Boden eingebracht und verbessert dort massiv die Bodenqualität. Das wirkt sich etwa merkbar beim Ertrag von Gemüse aus und hilft dabei künstlichen Dünger zu sparen.
Auch im Waldviertel leben Merinoschafe, etwa am Hof von Günter und Petra in Albrechtsberg. Dieser wird bereits in dritter Generation von der Familie Scheibelberger betrieben, seit 2007 sind die Merinoschafe dort heimisch. Inzwischen leben etwa 70 Merinoschafe gemeinsam mit Pferden, Laufenten, Hunden und Katzen und der Großfamilie im Waldviertel und erbringen dort besondere Leistungen.
Ökologische Rasenmäher
Denn nicht nur die Wolle der Schafe ist heiß begehrt, in letzter Zeit mehren sich die Anfragen nach einem ganz anderen Einsatz. Denn immer mehr Menschen und Unternehmen entdecken die Vorzüge eines „ökologischen Rasenmähens“, also des Einsatzes von Tieren für die Flächenpflege. Die Vorteile dafür liegen auf der Hand: Keine Chemie muss eingesetzt werden, es gibt keine Lärmbelästigung und fossilen Rohstoffe werden nicht verbraucht.
Die Schafe übernehmen die Flächenpflege auf eine ganz natürliche Weise und sorgen damit quasi nebenbei auch für den Erhalt von Artenvielfalt und leisten einen Beitrag zum ökologischen Kreislauf. Sie bewirken also das genaue Gegenteil von den verpönten Mährobotern, die für Insekten aber auch für Wildtiere zur Gefahr werden können und daher eigentlich besser nicht eingesetzt werden sollten. Ein Zukunftsmodell?
Von Mietschafen und Sorglos-Paketen
Auf jeden Fall, denn der Ablauf ist denkbar einfach. Zuerst kommen Petra und Günter vorbei und schauen sich die Fläche genau an. Einige Dinge gilt es zu beachten, etwa, dass dort kein Teich sein darf und auch giftige Pflanzen dürfen dort nicht wachsen. Da für die Schafe auch Blumen ein köstlicher Snack sind, eignen sich Schaugärten eher nicht für die Mietschafe. Aber das alles und vieles mehr erfährt man im persönlichen Gespräch vorab ohnehin.
Insbesondere auch wenn es um die Betreuung von Flächen bei Photovoltaik-Anlagen geht, die nicht nur in Niederösterreich, sondern im ganzen Bundesgebiet derzeit stark ausgebaut werden, sind die Schafe perfekt als biologische Flächenpfleger geeignet. Wobei in diesem Fall die Schafe nicht vermietet werden, sondern es quasi ein Rundum-Sorglos-Paket gibt, bei dem alles von den Bauern erledigt wird – vom Anfang bis zum Ende.
Produkte aus Merino-Wolle
Zurück zur Wolle. Denn am Ende gibt es doch noch viele Menschen, die gerne eine Mütze, einen Schal oder andere Dinge aus dem edlen Stoff tragen wollen. Und das kann man auch aus der Wolle der Waldviertler Merinoschafe, denn Petra und Günter arbeiten mit Shared Sheep zusammen, einem kleinen Unternehmen im südlichen Niederösterreich. Dieses bietet Patenschafts-Modelle an, bei dem man auch Merino-Wollprodukte erhält.
Die Merinoschafe im Waldviertel sind also vielseitig im Einsatz und bereichern die ganze Region. Ihre Wolle wird für die Verbesserung von Böden und für die Erzeugung von Textilien verwendet, die Schafe selbst aber auch zur Pflege von Flächen eingesetzt. Ein Gewinn für alle Beteiligten und ein deutliches Zeichen dafür, dass es auch einen anderen Weg geben kann als die rücksichtslose Ausbeutung von Tieren, wie wir das in Australien erleben.
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