In Niedersachsen wächst der Druck auf die Landespolitik, eine der umstrittensten Jagdmethoden des Bundeslandes zu verbieten: die Baujagd. Eine Petition des Vereins ProFuchs Deutschland e.V., die seit November 2025 online ist, fordert ein vollständiges Verbot dieser Praxis und stützt sich auf Argumente, die längst Teil einer breiteren gesellschaftlichen Debatte sind.
Die Initiatorinnen und Initiatoren behaupten: Die Jagd im Fuchsbau sei nicht nur ethisch bedenklich, sondern verstoße gegen grundlegende Prinzipien der Weidgerechtigkeit und gegen den modernen Tierschutzgedanken. Dass innerhalb kurzer Zeit mehrere tausend Menschen unterzeichnet haben, zeigt, dass die Kritik an der traditionellen Baujagd längst nicht mehr nur aus dem Tierschutzmilieu kommt, sondern sich zu einem Thema auswächst, das viele Bürgerinnen und Bürger bewegt – gerade in einem Bundesland, das sowohl landwirtschaftlich geprägt ist als auch historisch tiefe Wurzeln im jagdlichen Brauchtum hat.
Baujagd: Lange, grausame Tradition
Die Baujagd, wie sie in Deutschland seit Jahrhunderten praktiziert wird, richtet sich vor allem gegen Füchse, gelegentlich auch Dachse oder andere Tiere, die ihre Baue im Boden anlegen. Dabei werden speziell ausgebildete Hunde, sogenannte Bauhunde, in die teils verzweigten unterirdischen Systeme geschickt. Ihre Aufgabe besteht darin, den Fuchs aufzuspüren und entweder zu verbellen, zu bedrängen oder aus dem Bau zu treiben.
Der Jäger wartet währenddessen oberirdisch, um das Tier beim Austritt zu schießen. Bleibt das Wild jedoch im Bau oder kommt es zu einer sogenannten „Verschlagung“, bei der Hund und Fuchs in einem engen Gang aufeinandertreffen, wird oft gegraben – manchmal stundenlang, bis Mensch und Hund an das Tier herankommen. Befürworter bezeichnen dies als fachgerechte Jagdausübung, Kritiker hingegen als archaische, unnötige und grausame Praxis, die Wildtieren keine reale Chance lässt und die Bauhunde erheblichen Risiken aussetzt.
Großer Stress für die Tiere
Die Petition führt zahlreiche Argumente gegen die Baujagd auf und betont, dass der natürliche Schutzraum eines Wildtiers nicht zum Schauplatz einer Jagd werden dürfe. Der Bau sei Rückzugsort, Schlafraum, Aufzuchtstätte und Überlebensgarantie für den Fuchs. Die Jagd in diesem Schutzraum, so heißt es dort, widerspreche dem Grundsatz, Wild nur unter fairen Bedingungen zu verfolgen. Auch auf die tierschutzrechtliche Dimension weist die Petition hin: Der Stress, die Panik und die Verletzungsgefahr für beide beteiligten Tiere – sowohl das gejagte als auch das jagende – seien nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Besonders kritisch sehen die Initiatorinnen und Initiatoren die Tatsache, dass Füchse während der Paarungs- und Setzzeit sensibelste Lebensphasen durchlaufen. Dass die Baujagd in einigen Monaten des Jahres sogar ganz regulär erlaubt ist, wird aus Sicht der Kritiker zu einer ethischen Fehlstellung, die dringend korrigiert werden müsse.
Die Gegner der Baujagd führen darüber hinaus an, dass der Nutzen der Jagdmethode nicht im Verhältnis zu ihren Eingriffen stehe. Studien und Auswertungen verschiedener Landesjagdberichte belegen, dass der Anteil der durch Baujagd erlegten Füchse meist gering ist – oft im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Ein nennenswerter Einfluss auf die Fuchspopulation sei damit nicht nachweisbar. Auch das Argument, ein intensiver Fuchsabschuss diene dem Artenschutz von Bodenbrütern oder Kleinsäugern, wird zunehmend kritisch betrachtet. Viele Biologen und Wildtierökologen weisen darauf hin, dass komplexe Ökosysteme nicht allein durch die Entfernung eines einzelnen Prädators stabilisiert werden können.
Große Jagdlobby
Zudem zeigen wissenschaftliche Publikationen, dass sich Fuchspopulationen bei starker Bejagung durch erhöhte Reproduktionsraten und Zuwanderung schnell wieder ausgleichen – ein Mechanismus, der in der Fachliteratur als kompensatorische Dynamik bekannt ist. Für die Initiatorinnen und Initiatoren der Petition ist dies ein weiterer Hinweis darauf, dass die Baujagd ein überholtes Instrument darstellt, das in keinem sinnvollen Verhältnis zu seinen Auswirkungen steht.
Die Landespolitik befindet sich nun in einer schwierigen Situation. Einerseits wächst der gesellschaftliche Druck, traditionelle Jagdmethoden an moderne Tierschutzstandards anzupassen oder sie ganz zu verbieten. Andererseits hat die Jagd in Niedersachsen eine lange und institutionell tief verankerte Tradition. Jägerinnen und Jäger übernehmen vielerorts Aufgaben, die über das bloße Bejagen von Wild hinausgehen – etwa im Bereich des Naturschutzes, der Wildtiererfassung oder der Seuchenprävention. Ein vollständiges Verbot der Baujagd würde dieses Gefüge verändern, möglicherweise auch Konflikte verschärfen. Gleichzeitig ist es für viele politisch Verantwortliche kaum noch vermittelbar, warum im Jahr 2025 eine Jagdmethode fortgeführt werden sollte, die selbst aus Sicht einiger Jagdausbilder als „risikobehaftet“ und „tierschutzrechtlich sensibel“ gilt.
Druck von unten steigt
Die Tatsache, dass das Thema öffentlich so stark diskutiert wird, verweist auf einen größeren Wandel. Der gesellschaftliche Blick auf Wildtiere verändert sich. Füchse in Städten, die früher als scheue Waldtiere galten, werden zunehmend als urbane Mitbewohner wahrgenommen. Das klassische Bild vom Jäger als Bewahrer des ökologischen Gleichgewichts wird heute häufiger hinterfragt, auch weil immer mehr Menschen Zugang zu biologischem Fachwissen haben und Medien Debatten über Tierethik verstärkt aufgreifen. Die Petition gegen die Baujagd fügt sich damit ein in eine Reihe von Auseinandersetzungen über jagdliche Praktiken, die in den letzten Jahren deutschlandweit geführt wurden – vom Verbot bleihaltiger Munition über strengere Regelungen für Gatterjagden bis hin zur Diskussion um Nachtzieltechnik.
Ob die Petition in Niedersachsen konkrete politische Veränderungen anstoßen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass sie einen Nerv getroffen hat. Das Thema berührt nicht nur Fragen jagdlicher Praxis, sondern auch grundlegende moralische Werte: Wie definieren wir Weidgerechtigkeit? Wie gehen wir mit Wildtieren um, die nicht nur Teil eines Ökosystems, sondern für viele Menschen auch schützenswerte Individuen sind? Was bedeutet es, wenn Tradition mit modernen Tierschutzvorstellungen kollidiert? Die Baujagd, die einst als selbstverständlicher Teil der Jagdausbildung galt, wird heute für viele zum Symbol einer überholten Denkweise. Andere jedoch sehen in ihr ein Stück gelebter Praxis, das nicht pauschal verurteilt werden sollte.
Damit ist die Baujagd mehr als eine jagdliche Technik; sie ist ein Prüfstein für das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Petition hat diesen Konflikt sichtbar gemacht und eine Diskussion angestoßen, die weit über Niedersachsen hinausweist. Sie zwingt Politik, Jägerschaft, Wissenschaft und Gesellschaft an einen Tisch – und fordert, dass eine jahrhundertealte Praxis im Lichte moderner Werte neu bewertet wird. Am Ende geht es nicht darum, ob der Fuchs ein „Nutztiervertilger“ oder ein „Wildtier mit Recht auf Unversehrtheit“ ist. Es geht darum, wie wir als Gesellschaft definieren, was wir wilden Tieren schuldig sind. Und genau deshalb ist die Debatte über die Baujagd keine Randfrage, sondern ein Spiegel unseres Selbstverständnisses im Umgang mit der Natur.
Hier kann man die Petition unterzeichnen.
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