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Dieses Nervengift führt zu Walstrandungen und gelangt in unsere Nahrungskette

Hunderte Wale werden Jahr für Jahr an die weltweiten Strände angespült. Nun zeigt eine neue Studie, dass wohl ein Nervengift dafür verantwortlich sein könnte.

10/2/2021
  • Tiere
  • Ernährung
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  • International
Dieses Nervengift führt zu Walstrandungen und gelangt in unsere Nahrungskette

Hunderte Wale werden Jahr für Jahr an die weltweiten Strände angespült. Meeresforscher sind sich nach wie vor nicht einig, warum die großen Säuger plötzlich am Trockenen sitzen. Zum Stranden der Tiere könnte auch die Verschmutzung der Meere mit Quecksilber beitragen, vermuten Umweltchemiker der Universität Graz. Sie haben gemeinsam mit Kollegen aus Schottland und Frankreich erste Indizien für diesen Verdacht gesammelt.

Erst zu Monatsbeginn waren wieder Dutzende tote Schweinswale auf niederländischen Inseln angestrandet. Aus Sicht des Umweltchemikers Jörg Feldmann von der Uni Graz ist das traurige Phänomen keine Seltenheit mehr. Die Ursachen dürften vielfältig sein. Feldmann und sein Team vermuten, dass dabei auch das Nervengift Quecksilber dahinterstecken könnte, teilte die Universität Graz mit.

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In dieser Form ist es den meisten Menschen wohl bekannt: Quecksilber
Je höher in der Nahrungskette, umso mehr Quecksilber in Zellen

"Die Vermutung liegt nahe, dass Quecksilber eine zentrale Rolle in diesem Vorgang spielt", führte Feldmann aus. Die Konzentration des Schwermetalls im Meer - verursacht durch das Verbrennen von Kohle und industriellen Abfall - habe sich in den letzten Jahrhunderten verdreifacht. "Je höher ein Lebewesen in der Nahrungskette steht, desto größer ist die Konzentration von Quecksilber in den Zellen der Leber und des Gehirns. Und Wale stehen ganz oben", erklärte der Grazer Forscher.

Das internationale Forscherteam hat gestrandete und verendete Pilot- und Pottwale näher untersucht, um herauszufinden, wie stark die Meeressäuger belastet sind: Mithilfe der sogenannten NanoSIMS-Methode - einer speziellen Form der Massenspektrometrie - konnten sie die Leberzellen der mächtigen Säugetiere im 50 Nanometer-Bereich genauer unter die Lupe nehmen und Quecksilberpartikel in den Leberzellen nachweisen. Die ersten Ergebnisse der neuen Analysenmethode für Quecksilber wurden jüngst im Fachjournal "Analytical Chemistry" online veröffentlicht.

Quecksilber könnte bei Walen zu Orientierungslosigkeit führen

"Die gigantischen Meeressäuger haben eine bis zu tausendmal höheren Konzentrationen als andere Meerestiere, was aber als unbedenklich eingestuft wird", schilderte der Chemiker. Das chemische Element Selen spielt dabei eine wichtige Rolle: Dieser Stoff ist für Säugetiere ein essenzielles Spurenelement, schützt die Zellen vor oxidativem Stress und ist auch für den Hirnstoffwechsel wichtig. Es bindet sich leicht mit Quecksilber und schaltet zugleich dessen toxische Wirkung aus, indem es eine Verbindung mit ihm eingeht und unlöslich wird. Auch diese Verbindungen können mit der neuen Methode gut gemessen werden.

"Wir haben festgestellt, dass sich die beiden Stoffe zu neugebildeten Micro- und Nanopartikeln verbinden und zu einem Quecksilberselenid werden", hielt Feldmann fest. Weil das Selen für die Detoxifizierung von Quecksilber gebraucht wird, fehlt es allerdings als Schutz fürs Gehirn. "So könnte der Mangel bei Walen zu Krankheiten wie zum Beispiel Epilepsie führen, die eine Orientierungslosigkeit auslösen und sie deshalb stranden lassen könnte", vermutete der Umweltchemiker.

Bei sozialen Herdentieren wie den Walen könnte sich der Mangel auch auf das Verhalten der ganzen Gruppe auswirken. Das wäre eine Erklärung, warum Wale meist zu mehrt stranden. Mit weiteren Analysen nach der neuen Methode möchte Feldmann die Quecksilber-Ablagerungen in den Organen der Wale weiter untersuchen. "Vielleicht können wir irgendwann in der Zukunft mit überlegten Maßnahmen Strandungen ganzer Walgruppen gezielt entgegenwirken und sie auch verhindern. Dazu müssen wir nur wissen, was die Gründe für die Strandungen sind."
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Insbesondere in Thunfisch sollen große Mengen Quecksilber enthalten sein
Quecksilber auch in Nahrungskette der Menschen

Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen in Seen und es kommt durch vermehrten Starkregen zu einem zunehmenden Eintrag von Bodenmaterial aus dem Umland ins Wasser. Das führt zu einer schlechteren Nahrungsqualität an der Basis der Nahrungskette, zeigt eine im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlichte Studie des WasserCluster Lunz (NÖ). Demnach steigt in Algen einerseits die Quecksilberbelastung, andererseits nehmen wichtige Nährstoffe wie Omega-3 Fettsäuren ab.

In einem Experiment haben Martin Kainz vom Forschungsinstitut WasserCluster Lunz und sein Team untersucht, wie sich der Klimawandel auf das pflanzliche Plankton (Algen) auswirkt. Der Fokus lag dabei auf den höheren Wassertemperaturen und den verstärkten Eintrag von organischen Stoffen aus dem Umland durch stärkere Niederschläge, was eine Bräunung des Wassers zur Folge hat.

Quecksilber aus Industrieabgasen

Dazu befüllten die Wissenschafter 24 Behälter mit je 400 Liter Wasser aus dem Lunzer See. In sechs dieser "Mesokosmen" blieben Temperatur und Lichtbedingungen unverändert wie in der Natur, sie bildeten die Kontrollgruppe. In der zweiten Sechser-Gruppe wurde die Temperatur um drei Grad Celsius gegenüber der Umgebungstemperatur erhöht und in der dritten Gruppe eine wöchentliche Bräunungsbehandlung durchgeführt, um die Konzentration mit gelöstem organischen Kohlenstoff gegenüber den natürlichen Bedingungen zu verdreifachen. In den letzten sechs Behältern wurden schließlich sowohl die Temperatur als auch der Kohlenstoff-Gehalt erhöht.

In allen Behältern wurde die gleiche Menge an Nährstoffen und Methylquecksilber sowie von pflanzlichem und tierischem Plankton zugefügt. In der Natur gelangt das etwa aus Industrieabgasen stammende Quecksilber über die Atmosphäre in die Seen und Böden. Dieses metallische Quecksilber wird vor allem von Bakterien in den Gewässern und umliegenden Feuchtgebieten in das hochgiftige Methylquecksilber umgebaut. In dieser Form gelangt es leicht in die Zellen von Lebewesen und kann sich in der Nahrungskette anreichern.

Höhere Temperaturen wirken sich schädlich aus

 "Es zeigte sich, dass die Absorption des neurotoxischen Methylquecksilber bei den Algen umso größer ist, je wärmer es ist", sagte Kainz gegenüber der APA. Durch die höheren Temperaturen würden die Algen schneller wachsen, hätten mehr Oberfläche und könnten das Methylquecksilber besser aufnehmen. Im gebräunten, wärmeren Wasser hatten die Algen einen im Vergleich zur Kontrollgruppe um 65 bis 70 Prozent höheren Gehalt an Methylquecksilber.

Gleichzeitig verringerten sich die Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren in den Algen aus diesem Wasser um fast 50 Prozent. Für Kainz ist diese Verringerung von essenziellen Nährstoffen in Kombination mit den erhöhten Werten von Methylquecksilber, einem Neurotoxin, bereits an der Basis der Nahrungskette besorgniserregend.

Denn einerseits komme es zu einer Anreicherung des Methylquecksilbers, das in höheren Konzentrationen das zentrale Nervensystem schädigt, über die verschiedenen Stufen der Nahrungskette. Andererseits würden die Konsumenten der Algen, wie tierisches Plankton, Insektenlarven oder Fische, die mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3 für ihren Zellaufbau, Augen- und Gehirnentwicklung benötigen.



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