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Meinung

Von der imperialen Lebensweise zur Kreislaufwirtschaft!

Der globale Ressourcenverbrauch hat sich seit den 70er-Jahren verdreifacht, die E-Schrottmengen haben sich im selben Zeitraum sogar vervierfacht.

12/3/2022
  • Umwelt
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  • Konsumentenschutz
  • Lieferkettengesetz
Von der imperialen Lebensweise zur Kreislaufwirtschaft!

Der globale Ressourcenverbrauch hat sich seit den 70er-Jahren verdreifacht, die E-Schrottmengen haben sich im selben Zeitraum sogar vervierfacht. Unser Umgang mit Elektrogeräten ist ein guter Indikator für die Vernichtung von nichtregenerativen Rohstoffen. Seltene Erden tragen die Problematik in ihrem Namen: Auf einem endlichen Planeten kann die Wirtschaft nicht unendlich (materiell) wachsen.

Es kann doch nicht sein, dass profitorientierte, internationale Konsortien Rohstoffe in den Ländern des globalen Südens ausbeuten, die dann mehrheitlich in Schwellenländern unter Ausbeutung von Arbeitskräften zu Produkten verarbeitet werden, die wir im Norden billig kaufen, entsprechend wenig wertschätzen und schnell wegschmeißen. Meist landen diese Abfälle dann dort, wo die Rohstoffe herkommen und richten weiteren Schaden an.

Eines ist klar: Der Wandel von der linearen zur zirkulären Wirtschaftsweise wird weiteres Wachstum nicht verhindern. Immerhin wird die Kreislaufwirtschaft unsere imperiale Lebensweise vom Ressourcenverbrauch abkoppeln und damit das imperiale Element reduzieren. Ob das den Planeten retten wird, darf bezweifelt werden. Aber die Postwachstumsökonomie ist politisch (noch) nicht anschlussfähig. Noch etwas muss uns bewusst werden: Eigentlich geht es nicht darum den Planeten zu retten, sondern darum, auf diesem Planeten als Menschheit zu überleben. - Wir müssen raus aus dem Hamsterrad der materiellen Bedürfnisbefriedigung und rein in ein gutes Leben für alle!

Die gute Nachricht: Die EU-Ordnungspolitik hat spät, aber beeindruckend grundsätzlich reagiert. Der EU Green Deal und das Kreislaufwirtschaftskonzept schreiben nicht weniger vor, als einen systemischen Wandel von der rohstoffvernichtenden, linearen, zur enkeltauglichen, zirkulären Wirtschaftsweise. Die herstellende Industrie leistet keinen ernstzunehmenden Widerstand  (mehr). Zitat eines großen Hersteller-Vertreters bei den Standardisierungsarbeiten in Brüssel: „Weißt Du Sepp, wir wissen schon lange, dass das so nicht weitergeht. Aber hätten wir schon früher mit nachhaltigem Produktdesign begonnen, hätten wir uns einen Marktnachteil eingehandelt. Jetzt, wo das für alle gilt, sind wir mit Feuereifer dabei.“ Also: Ordnungspolitik wirkt!

Jetzt kommt es auf uns Konsument*innen an: Brauchen wir den ganzen Schrott, mit dem wir uns belasten? SUV-Fahrer wären bei Psychotherapeuten ohnehin besser aufgehoben, als in ihren Monster-Cars. Letztere werden ihr eigentliches Problem, das zu gering ausgeprägte Selbstwertgefühl, ohnehin nicht lösen. Mit einem derartigen Statussymbol, das in drei Jahren schon einmal 100.000 EURO an Wert verliert, wird auch am Verlust der Lebensgrundlagen der Spezies Mensch mitgearbeitet. Ich orte eine wachsende Minderheit, die neue Statussymbole entdeckt hat: Es darf auch einmal eine Reparatur, was runderneuertes Gebrauchtes oder ein Nutzen-statt-Kaufen Gerät sein. All das gibt´s im Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z 😉, dem Pionier-Unternehmen der Kreislaufwirtschaft.

Die Zukunft des Konsums liegt in unseren Händen. Re-fuse, Ret-hink, Re-duce, Re-pair, Re-use, Re-cycle – genau in dieser Reihenfolge – können als Handlungsanleitung verstanden werden. Wem das zu kompliziert ist: All you need is less!

Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Hälfte der global emittierten, klimaschädlichen Gase durch die Extraktion natürlicher Rohstoffe und deren Verarbeitung entstehen (UN Environment, Hrsg.: Global Ressources Outlook 2019) und mehr als die Hälfte aller Umweltbelastungen beispielsweise im Leben einer Waschmaschine durch deren Produktion und Distribution (ESU Services, Hrsg.: Timely Replacement of White Goods 2005), dann lässt das nur einen Schluss zu: Wir brauchen wenige, langlebige, leicht reparierbare Produkte, die durch jahrzehntelange Nutzung ihren ökologischen Rucksack auf viele Jahre verteilen. Die Waschmaschinen-Hersteller arbeiten bereits an neuen nachhaltigen Konsummodellen. Es laufen schon Pilotprojekte zur Vermietung und zum Refurbishing (Re-Use in industriellem Ausmaß) von Waschmaschinen. In Hinkunft wird nicht mehr verkauft, sondern zur Nutzung überlassen. Wartung und Service von vermieteten Produkten heißt das neue Geschäftsmodell. Die Produktdienstleistung wird hoffentlich bald auch die „österreichische Seele“ überzeugen.

Jetzt braucht es eine seriöse Reparatur-Infrastruktur in der gesamten EU und darüber hinaus. Und genau daran arbeiten wir seit zwanzig Jahren! Begonnen haben wir als arbeitsintegrativer Betrieb mit der Vorbereitung zur Wiederverwendung (Re-Use) von in Wien weggeworfenen Waschmaschinen und Geschirrspülern. Nach der nicht ganz freiwilligen Privatisierung haben wir uns zu Österreich´s größtem, unabhängigen Reparaturbetrieb für Elektro- und Elektronikgeräte entwickelt. Mit der Herausgabe einer weltweit einzigartigen, österreichischen Norm haben wir die Standardisierung materialeffizienter E-Geräte in Brüssel maßgeblich beeinflusst und sind zum bekanntesten Reparaturbetrieb der EU geworden. Seit 1998 haben wir ein bedeutsames, tragfähiges EU-Netzwerk mitaufgebaut und die Schonung nichtregenerativer Rohstoffe lobbyiert (DIE ZEIT hat mich in einem Österreich-Portrait „Lobbyist mit Lötkolben“ genannt und geschrieben: „Geräte zu reparieren ist für Sepp Eisenriegler ein antikapitalistischer Akt.“). Jetzt arbeiten wir mit den EU-Konsumentenschutz-Verbänden, dem Frauenhofer-IZM, der TU Delft und iFixit an Testmethoden gegen vorzeitige Obsoleszenz von Elektro- und Elektronikgeräten (www.prompt-project.eu).

Die Standardisierung materialeffizienter E-Geräte und die Entwicklung und verpflichtende Anwendung strenger Testmethoden über die Ökodesignrichtlinie sind die Voraussetzung dafür, dass ab etwa 2025 die Wegwerfgeräte, die wir heute kennen, nicht mehr am Markt des EU-Wirtschaftsraumes erhältlich sein werden. Hier schließt sich der Kreislauf für E-Geräte im Sinne der Kreislaufwirtschaft! Was übrig bleibt geht ins verbesserte Materialrecycling und wird zu Sekundärrohstoffen.

Vielleicht ist dann der bundesweite Reparaturbonus der ab kommendem Jahr die Reparaturkosten bei E-Geräten um 50% senken wird, auch gar nicht mehr nötig, um das bestehende Marktversagen auszugleichen. So oder so: Jede Reparatur ist ein individueller Beitrag zum Klimaschutz, die Reparatur die Königsdisziplin der Kreislaufwirtschaft!

Unser Beitrag zum Aufbau einer seriösen Reparatur-Infrastruktur ist die Bereitschaft, unser Knowhow im Rahmen unseres Social Franchising-Systems weiterzugeben. Derzeit bearbeiten wir den D-A-CH Raum, nächstes Jahr sind Partner*innen aus allen EU-Mitgliedsstaaten willkommen. Um den mittlerweile erkannten „Flaschenhals“, die Verfügbarkeit kompetenter Reparaturtechniker*innen zu überwinden, haben wir gemeinsam mit dem AMS Wien und dem BFI ein eigenes Qualifizierungsprogramm gestartet. Aktuell werden 10 Trainees ausgebildet. Gemeinsam mit der Stadt Wien und der WKO arbeiten wir an einem zusätzlichen Hauptmodul in der dualen Mechatroniker-Lehrlingsausbildung. Aus heutiger Sicht kann ein Schulversuch in Wien im September 2023 starten.


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