Ende November und Anfang Dezember 2025 wurde die indonesische Insel Sumatra von einer Naturkatastrophe heimgesucht, deren Ausmaß selbst in einer regionserprobten Geschichte von Überschwemmungen und Erdrutschen beispiellos erscheint. Der ungewöhnlich starke Tropensturm „Senyar“, der sich in der Straße von Malakka gebildet hatte, traf auf eine ohnehin intensive Monsunzeit und verstärkte die Niederschläge so drastisch, dass innerhalb weniger Stunden Flüsse über die Ufer traten, Hänge abrutschten und ganze Siedlungen im Schlamm versanken.
Zehntausende Menschen berichteten von einem Geräusch, das wie das Donnern eines herannahenden Zuges klang, kurz bevor Wassermassen und Geröll ihre Häuser erreichten. Für viele Überlebende weckte das Erlebte Erinnerungen an den Tsunami von 2004. Ein Fischer aus Aceh schilderte, dass die Wassermassen „größer waren als alles, was wir jemals gesehen haben“ und dass sein Dorf in wenigen Minuten „zu einem Fluss“ geworden sei. Diese drastischen Beschreibungen stehen stellvertretend für die Schockwellen, die die Katastrophe durch die Region schickte.
Gesamtes Ausmaß wird erst ersichtlich
Die Zahl der Opfer stieg in den Tagen nach dem Ereignis unaufhaltsam. Erste Meldungen gingen von gut 200 Toten aus, doch bald korrigierten Behörden und Hilfsorganisationen ihre Angaben deutlich nach oben. Anfang Dezember berichteten internationale Nachrichtenagenturen bereits von über 750 bestätigten Todesfällen und einer großen Zahl Vermisster. Nur einen Tag später wurden mehr als 830 Tote und über 500 vermisste Menschen genannt. Hinzu kamen rund 2.600 Verletzte, viele davon schwer, sowie Millionen Menschen, die direkt oder indirekt von der Katastrophe betroffen sind. Etwa eine Million Einwohnerinnen und Einwohner mussten ihre Häuser verlassen oder wurden evakuiert.
Copernicus
Meteorologinnen und Meteorologen sprachen schnell von einer seltenen Konstellation: Der Tropensturm war nicht nur ungewöhnlich nahe an der indonesischen Küste entstanden – ein Phänomen, das in dieser Region nur sehr selten vorkommt –, sondern hatte sich zudem mit einer bereits intensiven Regenzeit überlagert. Doch Fachleute betonten rasch, dass der extreme Niederschlag allein die verheerenden Folgen nicht erklären könne. Umweltgruppen sowie hydrologische Expertinnen und Experten verwiesen auf massive Abholzung, illegalen Bergbau und die Zerstörung von natürlichen Wasserrückhaltegebieten. In vielen Teilen Sumatras ist der Waldbestand in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft.
Strukturelle Probleme als Mitursache
Ohne dichte Vegetation können Niederschläge schlechter im Boden versickern, und Hänge verlieren ihre Stabilität – ein schleichendes Risiko, das in dieser Katastrophe sichtbar wurde. Ein Sprecher einer Umweltorganisation beschrieb die Situation als „ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie menschliche Eingriffe ein Naturereignis in eine Katastrophe verwandeln können“. Auch Regierungsvertreter räumten ein, dass strukturelle Probleme die Folgen verschärft haben könnten, kündigten aber gleichzeitig an, die Ursachen im Detail untersuchen zu wollen.
Darüber hinaus steigt das Risiko, dass sich Tropenkrankheiten wie Dengue oder die bakterielle Infektion Leptospirose ausbreiten. Mancherorts mussten mobile Kliniken eingerichtet werden, weil Krankenhäuser beschädigt oder überfüllt waren. Gleichzeitig fehlt es vielerorts an Medikamenten, Verbandsmaterial und Infrastruktur. Hilfsorganisationen sprechen bereits von einer „zweiten Krise“, die sich in den Überschwemmungsgebieten abzeichnet: jener der öffentlichen Gesundheit.
Wiederaufbau auch für Reformen nutzen
Der Wiederaufbau wird nach Einschätzung der indonesischen Regierung Milliarden verschlingen. Erste Schätzungen gehen von mehr als drei Milliarden US-Dollar aus, um zerstörte Straßen, Schulen, Brücken, Wasserversorgungssysteme und Wohngebiete zu reparieren oder neu aufzubauen. Während internationale Unterstützung zugesagt wurde, steht das Land vor der gewaltigen Herausforderung, kurzfristige Nothilfe zu koordinieren und gleichzeitig langfristige Strukturmaßnahmen anzustoßen.
Große Solidarität vor Ort
Trotz aller Zerstörung zeigen sich vielerorts Bilder der Solidarität. Freiwillige aus benachbarten Regionen reisten an, um Schutt zu räumen und Hilfsgüter zu verteilen. In Aceh halfen sogar ausgebildete Sumatran-Elefanten von Auffangstationen dabei, umgestürzte Bäume aus Rettungswegen zu ziehen – ein symbolträchtiges Zeichen für die Verflechtung von Natur und menschlichem Überleben.
Für die betroffene Bevölkerung sind Hoffnung und Verzweiflung oft nah beieinander. Viele haben Angehörige verloren, stehen ohne Besitz da und wissen nicht, wann sie in ihre Häuser zurückkehren können – oder ob diese überhaupt noch existieren. Gleichzeitig beginnt in den improvisierten Lagern langsam die Organisation eines Alltags: Kinder spielen in provisorischen Zelten, während Eltern versuchen, das Nötigste zusammenzutragen.
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