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Reportage

Neuer Check zeigt: Deshalb lieber kein Schweinefleisch im Supermarkt kaufen

Der österreichische Lebensmittelhandel präsentiert sich derzeit gerne als zunehmend tierfreundlich, nachhaltiger und verantwortungsbewusst. Doch wie weit dieser Anspruch tatsächlich trägt, zeigt sich erst im Detail

12/14/2025
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Neuer Check zeigt: Deshalb lieber kein Schweinefleisch im Supermarkt kaufen

Der österreichische Lebensmittelhandel präsentiert sich derzeit gerne als zunehmend tierfreundlich, nachhaltiger und verantwortungsbewusst. Doch wie weit dieser Anspruch tatsächlich trägt, zeigt sich erst im Detail – genauer gesagt im Schweinefleischregal. Der aktuelle Marktcheck von Greenpeace zeichnet ein zwiespältiges Bild: Einerseits ist der Anteil an frischem Schweinefleisch aus besserer Tierhaltung deutlich gestiegen, andererseits bleibt der tatsächliche Wandel in der Breite minimal.

Zwar kletterte der Anteil tierfreundlicherer Produkte im Vergleich zum Vorjahr von 7,5 auf 16,9 Prozent und hat sich damit mehr als verdoppelt, doch dieser Fortschritt ist weit weniger umfassend, als die Zahl zunächst vermuten lässt. Denn fast ausschließlich zwei Händler, Billa und Billa Plus, haben ihr Angebot derart ausgeweitet, während der Großteil der großen Lebensmittelketten sein Sortiment nahezu unverändert ließ. Was im ersten Moment wie ein Trend in Richtung Tierwohl aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als punktuelle Verbesserung in einem ansonsten weitgehend unveränderten Marktumfeld.

Meiste Tiere auf Vollspaltenböden

Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil an Bio-Schweinefleisch in den heimischen Supermärkten weiter bei lediglich rund einem Prozent stagniert. Damit bleibt die höchste Haltungsform – jene, die den Tieren am meisten Platz, Stroh, Auslauf und gentechnikfreie Fütterung garantiert – praktisch ein Nischenprodukt. Für die überwiegende Mehrheit der in Österreich gehaltenen Schweine bedeutet das: Ihre Lebensbedingungen unterscheiden sich kaum von jenen, die seit Jahren in der Kritik stehen. Nach wie vor werden die meisten Tiere auf Vollspaltenböden gehalten, ohne Stroh, ohne Beschäftigungsmaterial und oft in enge Stallabteile gepresst.

Solche Bedingungen sind nicht nur aus Sicht des Tierschutzes problematisch, sondern begünstigen auch Krankheiten – und damit den Einsatz von Antibiotika. Der Marktcheck macht deutlich, dass trotz gewisser Fortschritte weiterhin rund acht von zehn Produkten aus intensiver, konventioneller Tierhaltung stammen. Die Aussagekraft der Zahl von 16,9 Prozent verbessertem Angebot relativiert sich also schnell, wenn man sich vor Augen führt, dass für die restlichen achtzig Prozent der Tiere keine signifikanten Verbesserungen ersichtlich sind.

REWE als zweischneidiger Anbieter
 
Unterschiedlich fallen die Bewertungen der Handelsketten aus. Während Billa Plus in der Bedienungsabteilung bereits ausschließlich Schweinefleisch aus besserer Tierhaltung oder in Bio-Qualität anbietet, verweigert Penny als einziger großer Händler jegliche Auskunft zu Haltungsbedingungen der Tiere, deren Fleisch im Sortiment liegt. Diese Weigerung ist aus Transparenzsicht besonders problematisch, denn ohne klare Informationen können Konsumentinnen und Konsumenten kaum eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Das Fehlen eines verpflichtenden Haltungskennzeichnungssystems verschärft dieses Problem zusätzlich.

Anders als bei Eiern, wo die Kennzeichnung nach Haltung längst selbstverständlich ist, bleibt der Fleischmarkt weitgehend intransparent. Händler können Angaben machen – oder eben nicht. Und dort, wo sie fehlen, bleiben Käuferinnen und Käufer im Dunkeln.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Fütterung. Selbst Produkte, die mit Qualitätssiegeln wie dem AMA-Gütesiegel versehen sind, dürfen mit gentechnisch verändertem Soja erzeugt werden. Dieses stammt häufig aus Übersee und wird unter Bedingungen produziert, die ökologische und soziale Probleme verschärfen können. Abholzung, lange Transportwege und hoher Ressourceneinsatz belasten das Klima. Damit ist klar: Auch wenn sich einzelne Supermärkte bemühen, tierfreundlichere Produkte ins Regal zu bringen, bleibt die ökologische Gesamtbilanz von Schweinefleisch unverändert bedenklich. Das hängt nicht nur mit der Tierhaltung zusammen – sondern auch mit Futterimporten, globalen Lieferketten und der hohen Intensität der Produktion.

Gesundheitliche und ökologische Folgen

Greenpeace betont zudem, dass der Konsum von Schweinefleisch weiterhin weit über dem gesundheitlich empfohlenen Maß liegt. Die Österreicherinnen und Österreicher essen im Schnitt fünfmal so viel Fleisch, Schinken und Wurst, wie Ernährungsexpertinnen und -experten raten. Damit wächst nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten, sondern auch die Umweltbelastung steigt weiter an. Die Viehzucht zählt weltweit zu den größten Treibern der Klimakrise. Treibhausgase aus der Tierhaltung, Methanemissionen, Stickstoffeinträge in Böden und Gewässer sowie der enorme Flächenverbrauch zur Futterproduktion sind zentrale Faktoren, die die planetaren Belastungsgrenzen überschreiten. Jeder Schritt hin zu besserer Haltung verbessert zwar die Situation einzelner Tiere, aber er verändert noch nicht die grundlegenden ökologischen Zusammenhänge.

Gerade deshalb fordert Greenpeace seit Jahren eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleischprodukte. Ein System, das klar, verlässlich und für alle Händler einheitlich ist, könnte Transparenz schaffen und Konsumentinnen und Konsumenten echte Orientierung bieten. Die Organisation argumentiert, dass nicht der gute Wille einzelner Supermärkte darüber entscheiden darf, ob Tierwohl sichtbar wird oder unsichtbar bleibt. Erst wenn alle Produkte offen legen müssen, wie die Tiere gelebt haben, entsteht ein fairer Wettbewerb um bessere Standards. Doch bislang fehlt ein solches System – und damit bleibt es den Handelsketten selbst überlassen, ob sie Transparenz herstellen oder nicht.

Fleischkonsum reduzieren als persönlicher Beitrag

Die aktuelle Lage zeigt deutlich, dass freiwillige Maßnahmen zu inkonsequenten Ergebnissen führen. Was heute dank einzelner Händler wie Billa und Billa Plus nach Fortschritt aussieht, könnte morgen schon wieder ins Gegenteil kippen, wenn die Marktlogik es verlangt oder wenn wirtschaftlicher Druck steigt. Ein struktureller Wandel hin zu mehr Tierwohl ist nicht möglich, solange er nicht politisch verankert wird. Wenn Tierwohl zur Ausnahme statt zur Regel bleibt, wird sich an der Grundstruktur der Schweinehaltung in Österreich nur wenig ändern. Fortschritt hängt derzeit zu sehr vom Engagement einzelner Unternehmen ab – und zu wenig von verbindlichen Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig steht die Frage im Raum, welchen Beitrag Konsumentinnen und Konsumenten selbst leisten können. Greenpeace plädiert für eine deutliche Reduktion des Fleischkonsums, nicht nur aus Tierschutzgründen, sondern auch wegen der ökologischen und gesundheitlichen Folgen. Weniger Fleisch und mehr pflanzliche Alternativen könnten Druck aus dem System nehmen – weniger Tiere bedeuten weniger Emissionen, weniger Flächenverbrauch, weniger Futtermittelimporte und letztlich auch weniger Tierleid. Für jene, die Fleisch weiterhin konsumieren, gilt: Wer besser einkaufen möchte, sollte zu Bio-Produkten oder glaubwürdigen Tierwohl-Programmen greifen. Aber dafür braucht es, erneut, Transparenz. Wer nicht weiß, unter welchen Bedingungen ein Tier gelebt hat, kann keine fundierte Entscheidung treffen.

Kaum Veränderung

Der Marktcheck macht letztlich sichtbar, dass Österreich auf einem Weg ist, der jedoch noch kaum als Transformation bezeichnet werden kann. Die Zahl von 16,9 Prozent suggeriert Dynamik, doch sie speist sich aus sehr wenigen Quellen. Der Großteil des Marktes ist weitgehend unverändert und präsentiert weiterhin Produkte aus Haltungsformen, die seit Jahren von Tierschutzorganisationen kritisiert werden. Der Markt bewegt sich – aber er bewegt sich langsam. Und er bewegt sich nicht systematisch.

Der jüngste Bericht ist daher weniger ein Anlass zur Selbstzufriedenheit, sondern vielmehr eine Mahnung, dass ein echter Wandel politisch gestaltet werden muss. Tierwohl darf nicht allein dem Goodwill einzelner Händler überlassen bleiben. Solange die Mehrheit der Produkte unter Bedingungen entsteht, die weder tiergerecht noch nachhaltig sind, bleibt das Bild ambivalent. Der Marktcheck zeigt, dass Veränderung möglich ist, aber er zeigt auch klar, wo ihre Grenzen liegen. Er macht sichtbar, wie viel Verantwortung die Politik trägt, Transparenz zu schaffen und Standards verbindlich festzulegen, und wie viel Macht Konsumentinnen und Konsumenten haben, indem sie bewusst einkaufen und ihr Konsumverhalten hinterfragen. Der Weg zu wirklich tierfreundlicher und nachhaltiger Schweinefleischproduktion ist lang. Doch er beginnt mit der Erkenntnis, dass ein zweistelliger Prozentwert allein noch keinen Strukturwandel bedeutet. Nur wenn Tierwohl, Umweltverträglichkeit und Transparenz gemeinsam in den Mittelpunkt rücken, kann sich aus den zaghaften Fortschritten ein echter Wandel entwickeln.


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