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Meinung

„In Kantinen muss die Herkunft von Fleisch, Eiern & Milch künftig angegeben werden“

Kürzlich hat Bundesministerin Leonore Gewessler den neuen "Aktionsplan nachhaltige öffentliche Beschaffung" vorgestellt - ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Tierwohl, Naturschutz und Absicherung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

8/23/2021
  • Umwelt
  • Klima
  • Österreich
  • Ernährung
„In Kantinen muss die Herkunft von Fleisch, Eiern & Milch künftig angegeben werden“

Vor kurzem wurde von der Bundesregierung der neue „Aktionsplan nachhaltige öffentliche Beschaffung“ präsentiert, federführend war Klimaministerin Leonore Gewessler für seine Erarbeitung verantwortlich. Er löst mit 1. Juli 2021 den seit 2010 bestehenden Aktionsplan ab, der in der Vergangenheit vor allem dafür heftig kritisiert worden war, dass er inhaltlich zu wenig ambitioniert war und zudem kaum Verbreitung bei den für die Beschaffung verantwortlichen Personen in den österreichischen Gemeinden fand.

Von Expert*innen wird der neue Aktionsplan hingegen gefeiert, immerhin bindet er die öffentliche Beschaffung im Bundesbereich an starke ökologische Kriterien. Doch wie sieht es mit den Ländern und Gemeinden aus? Was konkret sieht der Aktionsplan vor und welche Bedeutung hat der staatliche Einkauf für Tierwohl, Naturschutz und Klima? Und wird damit nun endlich ein wirkungsvoller Hebel gegen Billig-Importe geschaffen? Wir haben mit Bundesministerin Leonore Gewessler darüber gesprochen.

oekoreich: Kurz und knapp: Worum geht’s im Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung, warum war es Ihnen so wichtig ihn auf den Weg zu bringen?

Wir haben es im Regierungsprogramm festgeschrieben – die Öffentliche Hand zeigt’s vor! Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger überzeugen wollen, dass sie auf die Qualität, auf unser Klima und unsere Umwelt schauen, wenn sie einkaufen, dann muss der Staat, dann muss die Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist ja auch Steuergeld, das da ausgegeben wird. Und mit der erhöhten Nachfrage nach nachhaltig hergestellten Produkten können wir all jene Unternehmen unterstützen, denen unsere Umwelt und die Zukunft unseres Planeten ein Anliegen sind.

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Jeden Tag werden in Österreich über 2 Millionen Menschen in öffentlichen Küchen verköstigt
oekoreich: Was sind für Sie die wichtigsten Errungenschaften im Bereich der Lebensmittel, die mit dem Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung erzielt werden konnten?

Wir haben einen Stufenplan für Bio, bei dem der Mindestanteil an Bio-Lebensmitteln auf 55 Prozent bis 2030 erhöht wird. Und wir haben bessere Qualitätsstandards eingeführt. Da geht es zum Beispiel um Gentechnikfreiheit auch bei den Futtermitteln, hier werden wir bis 2025 100 Prozent erreichen. Das ist ein wichtiger Schritt. Wir haben Fair Trade bei Tee und Kaffee verpflichtend vorgeschrieben, auch das liegt mir sehr am Herzen. Ganz besonders freut es mich auch, als eine der „frühen“ Unterzeichnerinnen des Tierschutzvolksbegehrens, dass wir auch Mindeststandards für die Tierhaltung vorschreiben. Da geht es um mehr Platz, um Stroh, um Schmerzbehandlung bei der Ferkelkastration. Das sind wichtige Fortschritte und damit will ich dazu beitragen, dass die Bäuerinnen und Bauern, denen Tierwohl ein Anliegen ist, ihre Produkte auch gut absetzen können.

oekoreich: Ist der Aktionsplan eine Kampfansage an das „System Massentierhaltung“ zu verstehen? Immerhin werden Importe deutlich erschwert.

Mit den neuen Qualitätsstandards im Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung bringen wir hochwertigeres Fleisch in unsere Kantinen. Das Putenfleisch aus Massentierhaltung aus Osteuropa zum Beispiel, das darf einfach nicht mehr beschafft werden, weil wir das österreichische Tierschutzgesetz als absoluten Mindeststandard definiert haben. Und ja, das ist auch ein wichtiger Schritt im Kampf gegen eine Art der Tierhaltung, die auf unserem Planeten eigentlich nichts verloren hat.

oekoreich: Welche weiteren positiven Effekte erwarten Sie, ausgehen von den neuen Bestimmungen?

Wir haben ja insgesamt 16 Produktgruppen im Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung, das geht von Gebäuden über Fahrzeuge und Elektrogeräte bis zum Toilettenpapier. Wir erwarten uns merkbare Einsparungen an CO2-Emissionen, wir erwarten uns jedenfalls eine erhöhte Nachfrage nach nachhaltig hergestellten Produkten und damit auch eine Motivation für Unternehmen, dass sie das, was wir kaufen, auch herstellen – also einen spürbaren Impuls auf dem Markt. Es haben sich übrigens schon einige Unternehmen bei uns gemeldet, die die öffentliche Hand mit ihren nachhaltigen Produkten beliefern wollen und den Aktionsplan als „Starthilfe“ sehen. Und dann gehen wir schlussendlich davon aus, dass der „naBe“ auch zur Bewusstseinsbildung und zur Transparenz beiträgt – bei den Menschen, die in der Verwaltung arbeiten und durch die Vorbildwirkung nach außen.

oekoreich: Jahrelang wurde über nachhaltigere Beschaffung beraten und verhandelt, jetzt kam der Aktionsplan überraschend schnell und umfangreich – was hat sich geändert?

Wir haben, als wir letztes Jahr in die Regierung eingetreten sind, einen – an und für sich fertigen - Entwurf vorgelegt bekommen, der schon zwei Jahre erarbeitet wurde – mit den Stakeholdern, mit den Ländern, mit der Wirtschaft, mit dem Justizministerium, das ja für das Vergaberecht zuständig ist und mit dem Finanzminister. Ich war aber nicht wirklich zufrieden mit dem Entwurf. Das heißt, wir haben den Plan nochmal aufgeschnürt, die ganzen Runden mit den Stakeholdern wiederholt und verhandelt. Und es hat sich ausgezahlt, wir sind jetzt wirklich einen großen Schritt weitergekommen in Richtung nachhaltige Beschaffung!

oekoreich: Der Aktionsplan wird als Meilenstein bezeichnet, ist aber nur für die Bundesebene verbindlich. Wie binden Sie die Länder und Gemeinden ein?

Die Länder haben sich in mehreren Beschlüssen dazu bekannt, dass sie den Aktionsplan umsetzen wollen. Insbesondere auf Gemeindeebene, und da besonders bei den kleinen Gemeinden, werden wir noch Überzeugungsarbeit leisten und den Aktionsplan gut bekannt machen. Es gibt deshalb auch die sogenannte „naBe“-Plattform gemeinsam mit der BBG, also der Bundesbeschaffungsgesellschaft. Die Plattform unterstützt bei Projekten zur nachhaltigen Beschaffung, macht Beratung, ist Informationsdrehscheibe und organisiert Veranstaltungen.
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Gerade in der Gastronomie braucht es nach Meinung von Expert*innen die verpflichtende Herkunftskennzeichnung
oekoreich: In Bundesküchen gilt künftig die verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft und Erzeugungsart von Lebensmitteln – ein Vorzeigemodell für die gesamte Außer-Haus-Verpflegung, inklusive Gastronomie?

Im Aktionsplan ist festgelegt, dass es in den Kantinen zukünftig verpflichtend eine Information über die Herkunft von Fleisch, Eiern und Milch geben muss. Das schafft Transparenz. Vielleicht trägt unser Aktionsplan ja dazu bei, dass sich in dieser Frage etwas bewegt. Es wäre wirklich an der Zeit. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu wissen, was sie essen.

oekoreich: Welche Bedeutung kommt der öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln im Kampf gegen Klimakrise und Artensterben zu?
 
Die öffentliche Beschaffung muss Vorbild und Vorreiterin sein, gerade, was den Klimaschutz und den Kampf gegen das Artensterben betrifft. Nicht zuletzt ist es Steuergeld, mit dem die öffentliche Hand einkauft – das ist jedenfalls eine besondere Verantwortung. Als Klimaschutzministerin ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir da mutig vorangehen. Mit dem Beschluss, dass alle Dienststellen des Bundes ab 2022 nur mehr mit dem Umweltzeichen zertifizierten Ökostrom beziehen werden, werden wir zum Beispiel zigtausende Tonnen CO2 einsparen. Wir haben hier wirklich einen Riesenhebel, und den werden wir nutzen.

oekoreich: Was ist Ihre Vision für die öffentlichen Küchen: 100 Prozent regional, biologisch und saisonal? Ist das realistisch?

Es ist mir jedenfalls enorm wichtig, dass wir hier einen großen Schritt setzen konnten. Gute, nachhaltig hergestellte, saisonale, und wenn möglich regionale Lebensmittel in allen Küchen der öffentlichen Hand, das muss jedenfalls unser Ziel sein – für unser Klima, unsere Bäuerinnen und Bauern, die Artenvielfalt und nicht zuletzt unsere Gesundheit.



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Leonore Gewessler (geb. 1977 in Graz) ist seit 7. Jänner 2020 österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt. Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Zuvor war sie Geschäftsführerin einer österreichischen Umweltschutzorganisation.


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