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Hochverarbeitete Lebensmittel: Vorsicht geboten, aber viele offene Fragen

Hochverarbeitete Lebensmittel – im Englischen als ultra-processed foods oder kurz UPFs bezeichnet – sind aus dem heutigen Lebensmittelangebot kaum wegzudenken.

12/4/2025
  • Konsumentenschutz
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Hochverarbeitete Lebensmittel: Vorsicht geboten, aber viele offene Fragen

Hochverarbeitete Lebensmittel – im Englischen als ultra-processed foods oder kurz UPFs bezeichnet – sind aus dem heutigen Lebensmittelangebot kaum wegzudenken. Ob Tiefkühlpizza, Frühstücksflocken, Schokoriegel, Softdrinks oder Fertigsaucen: Viele Produkte, die wir täglich konsumieren, fallen in diese Kategorie. Ein aktueller Artikel im Standard hat die Debatte erneut angefacht und zeigt, dass die Wissenschaft in den vergangenen Jahren zahlreiche Hinweise darauf gesammelt hat, dass diese Lebensmittel Risiken für die Gesundheit bergen könnten. Gleichzeitig bleibt unklar, warum genau sie schaden und ob der Verarbeitungsgrad an sich wirklich der Hauptfaktor ist. Ein Blick auf die jüngste Forschung hilft, das Bild besser zu verstehen – und einzuordnen, was wir heute sicher wissen und was nicht.

Zunächst lohnt sich ein kurzer Blick darauf, wie UPFs überhaupt definiert werden. Die geläufigste Einteilung stammt aus der sogenannten NOVA-Klassifikation, die Lebensmittel nach ihrem Verarbeitungsgrad in vier Gruppen einteilt. Während frisches Gemüse, Obst, Nüsse oder unverarbeitetes Fleisch in Gruppe 1 liegen, finden sich in Gruppe 4 jene Produkte, die stark industriell verarbeitet wurden und oft zahlreiche Zusatzstoffe enthalten, die man im eigenen Haushalt eher selten verwendet: Emulgatoren, Farbstoffe, Aromastoffe, modifizierte Stärke oder bestimmte Zuckersirupe. Diese Zutaten sind nicht zwangsläufig schädlich, doch sie markieren Produkte, die weit von ihrem ursprünglichen Rohstoff entfernt sind und in der Regel so entwickelt wurden, dass sie besonders gut schmecken, lange haltbar sind und sehr leicht konsumiert werden können. Gerade diese Kombination gilt als möglicher Kern des Problems.

Neue Studien bringt spannende Erkenntnisse

Die wissenschaftliche Literatur der letzten Jahre zeigt ein erstaunlich einheitliches Bild: Menschen, die viele ultra-verarbeitete Produkte essen, haben im Durchschnitt ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten. Eine große Auswertung von 45 Metaanalysen mit fast zehn Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam etwa zu dem Ergebnis, dass ein hoher UPF-Konsum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht. Auch psychische Probleme wie Angststörungen traten in diesen Analysen häufiger auf. Andere internationale Studien zeigten, dass schon eine Steigerung des UPF-Anteils in der Ernährung um zehn Prozentpunkte das Risiko eines frühen Todes messbar erhöhen kann. In manchen Ländern lassen sich Schätzungen zufolge fast 14 Prozent der vorzeitigen Sterbefälle auf solche Lebensmittel zurückführen – eine bemerkenswerte Zahl, die zeigt, wie relevant die Frage ist.

Besonders eindrucksvoll war eine kontrollierte klinische Studie, die in einem Laborumfeld durchgeführt wurde. Dort bekamen Probandinnen und Probanden entweder eine Ernährung mit vielen UPFs oder eine weitgehend unverarbeitete Kost – jeweils exakt gleich kalorienreich. Das Ergebnis: Die UPF-Gruppe nahm in nur drei Wochen signifikant an Körperfett zu, und es kam zu Veränderungen in hormonellen und metabolischen Parametern, die auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hindeuten. Überraschend war vor allem, dass diese Effekte nicht durch eine höhere Energiezufuhr erklärt werden konnten; die Teilnehmer aßen nominell gleich viel. Das legt nahe, dass ultra-verarbeitete Lebensmittel noch auf anderen Wegen wirken könnten, etwa durch ihre Zusammensetzung, ihre Auswirkungen auf die Darmflora oder durch Zusatzstoffe, deren langfristige Wirkung bisher wenig erforscht ist.

Sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen

Und dennoch: Die Forschung ist weit davon entfernt, UPFs eindeutig zu verurteilen. Viele Studien basieren auf Beobachtungsdaten und können keine klaren Ursache-Wirkungs-Beziehungen herstellen. Menschen, die viele UPFs essen, leben oft auch in sozialen oder wirtschaftlichen Bedingungen, in denen gesunde Lebensmittel schwerer zugänglich oder teurer sind. Auch Bewegungsmuster, Stress, Schlaf oder andere Lebensstilfaktoren spielen hinein und lassen sich nicht immer sauber herausrechnen. Kritikerinnen und Kritiker weisen außerdem darauf hin, dass der Begriff „ultra-verarbeitet“ sehr breit gefasst ist. Ein Proteinriegel, ein zuckerfreier Joghtersatz, eine Dose Linsensuppe, ein Energydrink und ein Schokocroissant gelten nach NOVA alle als UPF – obwohl sie sehr unterschiedliche Nährwerte, Verwendungszwecke und gesundheitliche Auswirkungen haben dürften.

Dazu kommt, dass einige Bestandteile der UPFs – etwa Emulgatoren oder Aromen – hinsichtlich ihrer möglichen langfristigen Effekte auf den Körper noch nicht ausreichend untersucht sind. Einzelne Studien deuten an, dass bestimmte Zusatzstoffe die Darmbarriere beeinflussen oder Entzündungsprozesse begünstigen könnten, doch die Datenlage ist uneinheitlich. Auch die Rolle der Textur und der sogenannten „essbaren Struktur“ von Lebensmitteln wird zunehmend diskutiert. Stark verarbeitete Produkte sind oft so gestaltet, dass sie leicht und schnell verzehrt werden können. Das kann dazu führen, dass Menschen mehr essen, bevor das natürliche Sättigungsgefühl einsetzt.

Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet diese Gemengelage, dass Vorsicht geboten ist, ohne in Hysterie zu verfallen. Es gibt keinen Grund, UPFs kategorisch zu meiden; viele Menschen haben aus Zeit-, Geld- oder Mobilitätsgründen schlicht nicht die Möglichkeit, alle Mahlzeiten frisch zuzubereiten. Doch es lohnt sich, den Anteil hochverarbeiteter Produkte zu reduzieren, auf kurze Zutatenlisten zu achten und häufiger zu unverarbeiteten Lebensmitteln zu greifen. Schon kleine Veränderungen – etwa das Ersetzen von Fertigsnacks durch Nüsse oder Obst, oder das Kochen mit Grundzutaten statt Fertigsaucen – können viel bewirken.

Offene Fragen bleiben

Auch politisch gewinnt das Thema an Bedeutung. Einige Expertinnen und Experten fordern Kennzeichnungen, die nicht nur Zucker-, Fett- und Salzgehalt abbilden, sondern auch den Verarbeitungsgrad sichtbar machen. Andere plädieren für Werbebeschränkungen, insbesondere wenn UPFs an Kinder vermarktet werden, oder für steuerliche Anreize für unverarbeitete Lebensmittel. Wichtig ist letztlich eine ausgewogene Debatte: Ziel ist nicht, bestimmte Produkte zu verbieten, sondern eine Umgebung zu schaffen, in der gesündere Entscheidungen leichter fallen.

Was bleibt? Die Forschung zeigt deutliche Hinweise darauf, dass hochverarbeitete Lebensmittel mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein können – manche davon möglicherweise unabhängig von ihrem Nährwert. Aber es gibt zugleich offene Fragen, methodische Probleme und große Unterschiede zwischen einzelnen Produkten. Sicher scheint nur eines: Der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels ist ein wichtiger Faktor, der in Zukunft stärker berücksichtigt werden sollte. Bis wir endgültige Antworten haben, bleibt die beste Strategie eine pragmatische: weniger hochverarbeitet, mehr frisch, und insgesamt mehr Bewusstsein dafür, was im eigenen Einkaufskorb landet.


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