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Kolumne

Die Klimakrise und die Sache mit den Generationen

oekoreich-Kolumnistin, Autorin & Klima-Aktivistin Paula Dorten im Gespräch mit ihren Großeltern.

5/1/2022
  • Klima
  • Österreich
  • Umwelt
Die Klimakrise und die Sache mit den Generationen

Zwischen Wochenenden auf der Lobau Besetzung und Lernen für die nächsten Prüfungen, finde ich mich Anfang November im Büro des Braumüller Verlags wieder. Verleger und Lektorin sitzen mir gegenüber, dahinter eine hohe Bücherwand. Ich wippe mit den Knien. Bin nervös. Ich werde ein Buch mit Marcus Wadsak, dem ORF - Wettermann und Klimaexperten schreiben. Zuerst kann ich das kaum glauben, wo doch sein Letztes vor einem Jahr für mich verpackt unterm Christbaum gelegen ist. Doch wir beide sind Feuer und Flamme. Was wir schreiben, ergänzt sich. Wir sind Teil zweier Generationen, die die gewaltigste Krise der Menschheit gemeinsam bewältigen müssen. Mit dem einzigen Unterschied, dass seine Generation in der Politik sitzt, die Hebel in der Hand hält. Und meine mit Megaphon auf der Straße steht und die Politik bittet, endlich umzuschalten. Kein Wunder also, dass es da zwischen den beiden Generationen eine Kluft gibt, die von Streit und Unstimmigkeiten geprägt ist. Es braucht große Überwindung, hinüberzuspringen, wenn man genau weiß, dass es Gegenwind gibt. Die Klimakrise ist auch eine Menschheitskrise. Sie spaltet Gesellschaften, sie spaltet Generationen. Umso mehr müssen wir in den Dialog treten, uns verstehen lernen um mit vereinten Kräften für eine klimagerechte Zukunft zu kämpfen.

Genau das versuche ich an einem sonnigen Montagnachmittag als ich an der Wohnungstür meiner Großeltern klingle. Ich habe einen Zettel mit Fragen in meinem Jutebeutel und Hunger im Bauch. Beim Mittagessen werde ich mit den beiden über die Klimakrise und die damit verbundenen Generationenkonflikte plaudern. Schließlich kann ich gleich in meiner eigenen Familie mit dem „über - die Kluft - springen“ anfangen. Oma und Opa begrüßen mich herzlich und als wir alle volle Bäuche haben, starte ich die Aufnahme. Tief einatmen. Los geht’s.

Paula: Wenn ihr so alt wärt wie ich, wie würdet ihr der Klimakrise begegnen? Wie würdet ihr damit umgehen?

Oma: Ich würde mich, glaube ich, schon auch sorgen. Aber durch mein angeborenes Naturell des Optimismus (Sie lächelt) hätte ich nicht wirklich Angst um meine Zukunft. Ich habe schon Glaube, wenn ich mir anschaue, was die Menschheit in den letzten 50 Jahren durch Innovationen geschaffen hat. Aber der Glaube alleine reicht auch nicht. Jeder muss für sich ein wenig Opfer bringen. Ich würde auch mit ein bisschen Vehemenz dahinter sein, so wie ihr das tut und versuchen zu überzeugen. Aber im Hinterkopf trotzdem nicht verzweifeln.

Paula: Findest du die Jugend handelt mit Stärke, Mut, aber auch Hoffnung?

Oma: Ich hab manchmal das Gefühl, dass die Jugend ein bisschen verzagt und zu pessimistisch ist.

Opa: Mein Ziel wäre, einen Kanal zu denjenigen zu schaffen, die verantwortlich sind und die demokratischen Möglichkeiten ausschöpfen. Demonstration ist nur eine aber nicht unbedingt die Erfolgsversprechendste. Ich brauche einen Draht zu den jeweiligen Parteien. Ich muss einen Kontakt schaffen. Es geht darum Forderungen zu stellen und sie von Wissenschaftlern belegen zu lassen.

Paula: Genau das machen Klimabewegungen seit Jahren. Aber es passiert trotzdem nichts.

Opa: Ja, aber die Demo wird nichts nutzen. Das wird nichts beschleunigen.

Paula: Glaubst du nicht, dass viele demonstrierende Menschen einen öffentlichen Druck erzeugen können?

Opa: Ich glaube eh, dass ihr schon viele seid. Das Problem wird nicht offensichtlicher, wenn mehr auf die Straße gehen. Das passiert so schnell nicht. Da müsst ihr halt eine eigene Partei aufmachen. Dann kriegen die anderen einen Spundus, weil sie Angst haben Stimmen zu verlieren.

Paula: Aber wir haben keine Zeit mehr, um eine Partei zu gründen!

Opa: Da gibts aber schon Profidemonstranten die mehr demonstrieren als arbeiten gehen.

Paula: Keine Zeit mehr im Sinne von: Unser CO2 Budget ist in 7 Jahren aufgebracht, wenn sich nichts ändert.

Opa: Die Demonstrationen alleine werden es trotzdem nicht sein.

Es folgt ein kurzer Schlagabtausch. Wir drehen uns im Kreis, finden keinen gemeinsamen Nenner. Das Gespräch kommt ins Stocken und ich stelle die nächste Frage.

Paula: Welche Rolle spielt eure Generation in der Bewältigung der Klimakrise?

Opa: Wir können unterstützen. Sei das durch Geldspenden, durch Einsparen oder sonst was. Und diese Botschaft können wir dann auch in unseren Bekanntenkreisen verbreiten.

Paula: Auch mit euren Stimmen? In dem ihr auf die Straße geht?

Oma: Ja natürlich! Ich habe auch den Eindruck, dass niemand dagegen ist. Da gibt es vielleicht den einen, der das weniger dramatisch sieht, aber der große Teil sagt, es muss etwas geschehen. Das wird einem bewusst. Es braucht ein Umdenken in vielen Bereichen und zusätzliche Anstrengung. Das ist, glaube ich, auch in unserer Generation angekommen.

Opa: Aber Klimaleugner.. Ich kenne keinen. Jetzt kannst du streiten, da gibts die einen die sagen, wir haben noch sieben Jahre Zeit und naja.. wie auch immer argumentierbar gibts auch andere die sagen 10 oder 15 Jahre. Aber das ist wurscht. Es bleibt unbestritten, dass der Klimawandel ein Problem ist.

Paula: Dennoch gibt es ja auch noch einen großen Unterscheid zwischen Bewusstsein und aktivem Tun…

Opa (lachend): Mit vegan werde ich mir wahrscheinlich ein bisschen schwer tun..

Paula: Es geht ja auch nicht unbedingt um das persönliche Verhalten. Politisches Engagement hat oft eine viel stärkere Auswirkung. Mit Bambuszahnbürsten werden wir unsere Welt nicht retten können. Es müssen die großen Schrauben gedreht werden..

Oma: Genau! Das glaube ich auch. Und vor allem auch einen Bewusstseinswandel bei den Menschen bewirken. Jedes Volk hat ja dann doch die Möglichkeit Einfluss auf die Regierung und die Verantwortlichen zu nehmen.

Paula: Woran liegt es, dass hauptsächlich die junge Generation dieses Bewusstsein hat? Was glaubt ihr, würde eure Generation zu mehr Engagement ermutigen und auf die Straße zu gehen?

Opa: Ich hätte gerne konkrete Lösungen. Mit Transparenten und Parolen über den Ring zu marschieren, da fühle ich mich eigentlich nicht angesprochen.

Oma: Ich wünsche mir mehr detaillierte Information. Ich will nicht nur hören, dass etwas passieren muss, sondern auch was passieren muss. Wenn ich lesen würde, was sich genau ändern muss, dann würde ich dafür auch eher auf die Straße gehen. Dann würde ich mich anschließen.

Paula: Genau das passiert ja schon. Wir fordern eine höhere CO2 Bepreisung, ein Klimaschutzgesetz, eine lineare Senkung der Emissionen, und so weiter.  

Opa (seufzt): Davon höre ich aber nichts! Ihr müsst lauter sein! Und da bin ich mir sicher, dass unsere Generation die letzte sein wird, die da gegen irgendetwas ist. Da seid ihr immer ein bisschen auf dem falschen Dampfer.

Paula: Wie meinst du das?

Opa: Naja, weil unsere Generation immer so dargestellt wird, als die böse, die alles verschissen hat.

Paula: Fühlst du dich auch persönlich davon angegriffen?

Opa: Ja! Ich empfinde das als ungerecht und zu einfach.. zu billig. Da wird gesagt: ihr Generation, ihr seid schuld. Ihr habt uns die Zukunft geklaut. Bescheuerter gehts ja nicht. Als ob irgendjemand das Interesse gehabt hätte den eigenen Enkelkindern auch nur einen Tag zu klauen. Das empfinden auch unsere Bekannten so. Da gibt es welche die sagen, ich bin sechs Kilometer durch den Schnee in die Schule gerannt und die werden heute mit dem SUV vor die Schule gefahren. Ich habe die Milch noch in der Milchkanne geholt und das war nix mit Plastikbecher. Wie kommen sie jetzt dazu, uns vorzuwerfen, wir hätten die Zukunft zerstört.

Paula: Naja.. genauso wie ihr nichts dafür konntet, dass ihr die Milch in der Kanne geholt habt, können wir nichts dafür, dass sie heute in Plastikbechern im Kühlregal steht!

Oma: Nein! Im Gegenteil, da können wir uns höchstens selber vorwerfen, dass wir es euch zu leicht gemacht haben. Wir waren ja stolz, wenn eine Errungenschaft kam. Ich habe gesagt, Gottseidank, müssen meine Kinder nicht im kalten Klo sitzen mit der Spirituslampe unter der Muschel weil das Wasser sonst einfriert. Gottseidank müssen sie sich nicht mit dem Zeitungspapier den Popo abwischen. Die haben es bequemer. Da gibt es Luxus.

Paula: Ich glaube was meine Generation sehr stark spürt, ist dass dieses „Alles wird besser“ bei uns ein Ende hat, weil wir diejenigen sind, die von den katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Wir schauen nicht mehr in eine Zukunft, in der automatisch alles schöner ist.

Oma: Aber anders! Anders bedeutet nicht unbedingt schlechter.

Paula: Sicher ist die Klimakrise etwas schlechtes!

Oma: Aber der Umgang damit..

Opa: Ich teile den Optimismus von der Oma. Wir werden das gemeinsam schaffen. Wir werden uns nicht gegen eine Lösung sträuben. Wer sagt, dass uns das alles egal ist, nur weil wir nur noch einen begrenzten Lebensabschnitt haben, der tut mir leid.

Oma: Dieser Vorwurf ist absurd. Das ist negativ. Das ist nicht konstruktiv positiv.

Paula: Was würdest du dir anders wünschen? Wie sollte damit umgegangen werden?

Oma: Wir wünschen uns einfach Wertschätzung. Wir müssen uns gegenseitig ins Boot holen.

Opa: Indem bitte nicht ein Schuldiger gesucht wird, der so dumm gewesen ist und etwas versäumt hat. Es wird immer gefragt: Warum wurde in der Vergangenheit nichts gemacht? Es hätte ja schließlich schon früher etwas passieren können. Das ist ja auch, was Fridays For Future immer sagt: Ihr seid zu spät. Die liebe Greta sagt immer: Ihr tut noch immer nichts. Da wären wir bei der Spaltung der Generationen.

Paula: Was geht da in dir vor?

Opa: Naja. Wir sind in einer anderen Welt groß geworden. Ohne den ganzen Krempel. Es hat noch kein I phone gegeben und das ganze drum und dran. Erst 1970, da kann ich mich erinnern, haben wir alle einen gewissen Wohlstand gehabt. Dann kam der Club of Rome, der das erste Mal über das Klima gesprochen hat. Und da wurde ganz konkret gesagt: Da gibt es das Ozonloch, da gibt es den Sauren Regen, die Verschmutzung von Gewässern und das Waldsterben.

Oma: Das waren eigentlich schon bedrohliche Szenarien.

Opa: Von diesen Dingen ist heute nicht mehr wirklich die Rede. Weil man Maßnahmen dagegen ergriffen hat. Das Verbot von FCK - Wasserstoffen. Die Industrie wurde dazu verdonnert, Filter einzubauen, in ihre Schlote. Bestes Beispiel ist mein Auto, das ich damals von den lieben Schwiegereltern übernommen habe. Das hat 18 - 20 Liter auf hundert Kilometer verbraucht.

Oma (entgeistert): Das muss man sich vorstellen, Paula.

Opa: Mein Auto heute verbraucht ca. 6,3 Liter. Also wenns dann heißt, es ist nichts passiert.. das stimmt nicht. Es ist viel passiert. Wir haben eine Zeit erlebt, wo gesagt wurde, da gibt es Bedrohungen, aber auch Lösungen dafür. Ich bezweifle die Klimakrise nicht. Und die wird irgendwann, wenn nichts passiert, einmal dazu führen, dass wir alle nicht mehr da sind. Also wir sowieso nicht. Aber das ist das letzte was ich für meine Enkeln will.

Oma: Nein, nein. Die Erde steht schon noch ein bisschen länger.

Opa: Ich glaube nur, dass wir ein Mittelding brauchen zwischen Einsparungen und technischen Innovationen. Da bin ich optimistisch.

Paula: Schöpft ihr Hoffnung aus diesen Erfahrungen in der Vergangenheit?

Oma & Opa: Ja! Definitiv!

Die Tür klingelt. Eine gute Möglichkeit das Gespräch zu beenden. Meine Oma springt auf. Ich stoppe die Aufnahme und dann ist es still. Nur noch das leise Klimpern unserer Löffel in den Kaffeetassen ist zu hören. Ein Schlürfen. Dann ein kollektives Seufzen.

 Diskutieren und sich mit anderen Meinungen zu konfrontieren ist anstrengend. Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass ich mit meinen Großeltern über die Klimakrise diskutiere. Da gab es auch schon weitaus hitzigere Debatten. Aber jetzt habe ich versucht, ihnen einfach zuzuhören. Trotz der Überwindung, die es mich kostet, nicht gleich zum Gegenschlag auszuholen. Vielleicht auch, um dem Vorurteil entgegenzuwirken, meine Generation sei stur und verständnislos.

Ich bin erschöpft. So etwas laugt einen aus. Dabei habe ich den Kapitalismus gar nicht erst angesprochen und trotzdem sind wir nicht viel weiter als vorher. Worte wie „Profidemonstranten“ kränken mich und ich bin erstaunt, dass meine Großeltern Proteste für wirkungslos halten, wo sie doch selbst bei den letzten beiden weltweiten Klimastreiks waren. Von der Gründung einer eigenen Partei und dem Glauben an die Wundertechnologie ganz zu schweigen. Und Probleme wie das Waldsterben oder den Sauren Regen haben wir ganz bestimmt noch lange nicht überwunden. Die Sache mit den Kompromissen beunruhigt mich sowieso. Kompromiss ist ein schönes Wort und klingt so sehr nach Friede und Fairness. Alle nehmen es gerne in den Mund. Aber Kompromisse mit der Klimakrise sind ein heikles Geschäft. Die denkt sich wohl kaum: „Eine niedrigere CO2 Bepreisung? Was für ein gutes Angebot!“ Es braucht die Umsetzung jener Forderungen, die Klimabewegungen und Wissenschaft schon seit Jahren auf den Tisch legt. „Kompromisse“ mit gewinnorientierten Großkonzernen sind kontraproduktiv. In dieser Debatte gibt es die „goldene Mitte“ nicht. Sie hat eine unschöne Farbe.

 Doch als ich genauer darüber nachdenke, habe ich erreicht was ich wollte. Das Gespräch hat verdeutlicht, wie viel Redebedarf da ist. Um andere Generationen ins Boot holen zu können, müssen wir zuerst verstehen, wieso sie nicht schon von alleine hinein gestiegen sind. Trotz allem bin ich also zufrieden mit dem Interview. Wir haben uns aufgeregt und gegenseitig widersprochen und dennoch nehmen wir uns beim Abschied in den Arm. Meine Großeltern danken mir für meine Diskussionsbereitschaft, ich ihnen für ihre. Und wahrscheinlich ist das genau der Punkt, in dem wir uns einig sind. Die Bereitschaft zur Diskussion und dem Zuhören ist die Brücke über der Kluft. Erst das miteinander, statt aneinander vorbeireden lässt uns gemeinsam eine klimagerechte Zukunft schaffen. Fest steht auch, dass meine Großeltern und ich nicht repräsentativ für diese beiden Generationen sind. Wir müssen Verständnis haben, statt Vorurteile. Und dann gehen vielleicht bald alle Generationen auf die Straße um gemeinsam nicht die letzte zu sein. Sodass möglicherweise sogar mein Opa wieder an Demonstrationen glaubt.


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