Weite Teile Brasiliens werden von den Cerrados, genauer den Campos cerrados, durchzogen – einer gewaltigen Ansammlung von aneinanderhängen Feuchtsavannen im Herzen des Landes. Flächenmäßig nehmen sie beinah ein Viertel Brasiliens ein und sind ungefähr so groß wie Mexiko oder anders verglichen: die Cerrados sind fünfeinhalb Mal so groß wie Deutschland. Aufgrund ihrer Lage und der klimatischen Bedingungen sind diese Landstriche enorm artenreich, seien es Pflanzen oder Lebewesen.
Was die Cerrados jedoch auszeichnet, ist ihre Rolle im südamerikanischen Ökosystem, das Jahrtausende alt ist. Obgleich der Boden sehr nährstoffarm ist, aufgrund von Verwitterung, können hier viele Arten gedeihen und sich an die Bedingungen anpassen. Speziell sind die endemischen Arten, die trotz der wenigen Nährstoffe und des sauren Bodens hier wachsen. Bis zu 30 Prozent der Fläche ist von Bäumen bedeckt, die über das ganze Jahr hinweg grün sind. Denn im Vergleich zum Amazonas wachsen die Bäume in den Cerrados tief in den Boden, weil dieser meist ab zwei Meter Tiefe dauernd feucht ist.
Artenreichste Savanne der Welt
Selbst in der Trockenzeit, die von Mai bis September dauert, können so die Bäume ihre Blätter tragen und bleiben dauerhaft grün. Vor allem für die tierische Artenvielfalt ist die Gegend bekannt, die an die 1.600 verschiedenen Tierarten zählt und dadurch die artenreichste Savanne der Welt darstellt. Zuletzt stellen die Cerrados eine Lebenslinie der Großstädte an der Ostküste Brasiliens dar. Ein gewaltiger Teil des Wasserhaushalts kommt aus den Feuchtsavannen und wird durch sie gesteuert, alleine in der Regenzeit, von Oktober bis April, fallen bis zu zwei Liter Regen auf den Quadratmeter. Viele Flüsse und damit auch die Wasserversorgung von Rio de Janeiro, Sao Paulo und weiteren Städten ist nur durch die Cerrados möglich. 40 Prozent des gesamten Süßwassers, das in Brasilien tagtäglich genutzt wird, kommt aus diesem Gebiet.
Dieses so wichtige und sensible Ökosystem wird bedroht – nicht allein durch den Klimawandel, sondern wie immer durch Profitgier. Alleine zwischen August 2023 und Februar 2024 wurden 3.798 km2 Wald abgeholzt, eine starke Zunahme zum Vorjahr. Vor allem ein Zusammenhang sticht heraus: Während die Abholzung des Amazonas abnimmt, steigt sie fast im gleichen Ausmaß in den Cerrados an. Der Grund liegt auf der Hand: Erst seit knapp 50 Jahren werden diese Landstriche erschlossen und vor allem für Anbau und Landwirtschaft genutzt. Anfangs waren es Viehweiden, die in diesen Gebieten grasten – später kamen schwere Landmaschinen und die Urbarmachung der Gebiete. Im Gegensatz zum Amazonas gelten für die Cerrados weitaus weniger Gesetze zum Naturschutz.
Die Hauptstadt mitten in den Cerrados
Aufgrund der Gegebenheiten und des nährstoffarmen Bodens wird bei landwirtschaftlichen Betrieben sehr viel Dünger genutzt. Vorrangig wird Reis, Mais, Soja, Eukayptus und Zuckerrohr angebaut, parallel dazu bleibt die Viehwirtschaft bestehen. Da der Boden sehr sauer ist, muss viel Kalk (im speziellen Dolomit) ausgestreut werden, um eine landwirtschaftliche Nutzung überhaupt möglich zu machen. Bislang wurden noch keine detaillierten Studien zu bleibenden Schäden durch die Landwirtschaft erstellt, aber die Abholzung ist schon das erste Verbrechen. Alleine der massive Zuckerrohranbau für Umwandlung zu Bioethanol schneidet sich tief in die Umwelt ein. Erste Veränderungen sind schon bemerkbar: heißere Temperaturen, weniger Niederschlag, direkte Austrocknung und von Jahr zu Jahr werden diese Bedingungen schlimmer.
Die neue Hauptstadt Brasilia wurde mitten in den Cerrados errichtet, für die Anbindung wurden etliche Autobahnen und Straßen gebaut – weit über zwei Drittel des gesamten Gebietes sind vom Menschen direkt oder indirekt beeinflusst. 50 Prozent der Gesamtfläche sind schon durch die Landwirtschaft zerstört oder umgestaltet worden. Dabei sind die Cerrados ähnlich dem Amazonasregenwald für den Klimaschutz enorm wichtig. Denn die gewaltige Feuchtsavanne ist Verbindungsstück zu so ziemlich allen brasilianischen Ökosystemen, vor allem in Richtung Amazonas und bilden daher das natürliche Rückgrat des Landes. Vor allem leben in den Cerrados etliche indigene Stämme, die sich um die Natur kümmern und für die dieser Lebensraum heilig ist. Sie sind ebenso bedroht wie alle Tiere und Pflanzen, die für Profit und Ausbeutung abgeholzt, umgepflügt werden. Nur 3% der Gesamtfläche stehen unter Schutz, anderweitig gibt es keine direkten Gesetze und Regelungen zum Schutz der Cerrados.
Zum Schaden der gesamten Menschheit
Kritik geht dabei auch an die Europäische Union, die dazu kein Wort verliert. Vor allem indigene Gruppen kritisieren dieses Verhalten und das damit einhergehende Schweigen von offiziellen europäischen Stellen. Ihr Wunsch ist, dass das Waldschutzgesetz der EU nachgeschärft und vor allem auch international wirksam wird. Denn in nur zehn Jahren wurden an die 105.000km2 abgeholzt, wobei sich die jährliche Zahl immer weiter erhöht. Für den Artenschutz sind die Cerrados mindestens so wichtig wie der Amazonas-Regenwald, weil die Savannen viele Pflanzen- und Tierarten beinhalten. Eine Schätzung geht davon aus, dass fünf Prozent aller Tierarten in den Cerrados heimisch sind. Zugleich speichert das Gebiet viel Kohlenstoff, der bei Abholzung und Verbrennung freigesetzt wird.
Die Bedrohung lässt sich auch in Zahlen fassen: In den letzten 40 Jahren entstanden mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen, schätzungsweise verfünffachte sich die Fläche in diesem Zeitraum. 230.000km2, knapp die dreifache Fläche Österreichs, werden von der Landwirtschaft genutzt und jedes Jahr wird es immer mehr. Teils wird den kleinen lokalen Farmen, die seit Jahrzehnten tätig sind, gedroht, damit sie ihr Land an größere Unternehmen verkaufen. In deren Augen ist Soja mit Gold gleichzusetzen, weil es weltweit verkauft und gebraucht wird. Ohne Rücksicht auf die Umwelt wird immer mehr Ackerfläche geschaffen, zum langfristigen Schaden der Menschheit.
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