Sonnenblumenöl, Kartoffeln, Zucker, Käse, Butter, Fleisch – alles nicht gerade kulinarische Luxusgüter, sondern vielmehr Bestandteile eines alltäglichen Einkaufs in Österreich. Was diese Lebensmittel sonst noch miteinander verbindet, das sind die enormen Preisanstiege in den vergangenen Monaten. Um 50, 70, teils sogar um 100 Prozent muss man in den heimischen Supermärkten mittlerweile mehr dafür bezahlen als noch vor einem Jahr.
Schönen Worten folgen bislang keine Taten
Die mächtigen Handelskonzerne begründen das mit den gestiegenen Produktionskosten, die Lieferanten würden sie dazu zwingen die Preise weiterzugeben. Außerdem würden zahlreiche Aktionen dafür sorgen, dass die Preise niedrig blieben. Da viele Menschen daran Zweifel hegen, hat die österreichische Bundesregierung Anfang Mai 2023 angekündigt eine Verbraucherpreisdatenbank für den Lebensmittelhandel zu erstellen.
Damit soll eine Übersicht über die Preisentwicklung bei ausgewählten Grundnahrungsmitteln geschaffen werden und Konsument*innen vergleichen können, wo sie Lebensmittel am günstigsten einkaufen können. Die Entwicklung einer solchen Datenbank würde jedoch einige Monate in Anspruch nehmen, ließ der zuständige Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher wissen und versprach eine solche für den Herbst des Jahres.
Datenanalyse offenbart politischen Sprengstoff
Dass das deutlich schneller geht, das hat jedoch der steirische Programmierer Mario Zechner unter Beweis gestellt. Innerhalb weniger Tage stellte er auf eigene Faust die sehr effektive digitale Plattform www.heisse-preise.io fertig, anhand derer man die Preisentwicklung von hunderten Produkten nachverfolgen kann. Er wollte damit zeigen, dass die Bereitstellung einer solchen Datenbank deutlich schneller gehen kann und der Öffentlichkeit ein Instrument in die Hand geben.
Wir haben mit ihm über die Erkenntnisse aus der Beobachtung gesprochen und dabei festgestellt, dass das Ausmaß der Intransparenz größer als gedacht und die sich daraus ergebenden Konsequenzen weitaus umfangreicher sind als vielfach angenommen. Denn aus der Analyse der Preisentwicklung der beiden dominierenden Anbieter, lassen sich fatale Dynamiken erkennen, die auch politischen Sprengstoff enthalten dürften.
Vermeintlich „preisgesenkte“ Lebensmittel in Wahrheit jetzt teurer
Zunächst zeigt sich, dass die groß angekündigten Preissenkungen der Lebensmittelhändler, mit denen in Filialen und im Netz geworben wird, in einigen Fällen in Wahrheit versteckte Preiserhöhungen enthalten. Inmitten der Teuerungskrise werden demnach Produkte von den Lebensmittelhändlern entgegen der eigenen Darstellung preislich angehoben. Auf einen Blick erkennbar ist das jedoch aufgrund der Vielzahl an Aktionen nicht.
Über ein Drittel aller Lebensmittel werden in Österreich in Aktion verkauft, bei Fleisch sind es sogar über 40 Prozent. Über das Spiel mit den Rabatten und Aktionen nehmen die Lebensmittelhändler also unmittelbar Einfluss auf die Wahrnehmung der Preise. Mit großem Aufwand, etwa über Flugblätter oder ganzseitige Inserate, werden die „Extremaktionen“ breit beworben und so Konsument*innen in die Filialen der Konzerne gelockt.
Aktionsartikel Schokolade als Beispiel
Konkret wird das an einem aktuellen Beispiel, der oft verkauften MILKA-Schokolade: „Dieses Produkt ist ein sogenannter Aktionsartikel. Er ist für 2 Wochen zum normalen Preis erhältlich, gefolgt von 2 Wochen Aktionspreis. Kauft man dieses Produkt einmal pro Woche, dann bezahlt man übers Jahr verteilt also den Mittelwert zwischen Normal- und Aktionspreis. BILLA bewirbt dieses Produkt aktuell als preisgesenkt. Das ist technisch auch korrekt, denn der Normalpreis wurde von 3,89 Euro auf 3,79 Euro gesenkt“ so Zechner.
Doch bei einem Aktionsartikel müsse man immer auch den Aktionspreis berücksichtigen, damit man Auskunft über die wahre Preisentwicklung erhalte. Hierzu zeigt die Analyse auf Basis der von Zechner erhobenen Daten: „Der Aktionspreis wurde von 2,69 Euro auf 2,99 Euro angehoben. Zuvor kostete das Produkt also im Mittel 3,29 Euro, nun kostet es 3,39 Euro. Im täglichen Leben kostet die Schokolade also in Wahrheit um 10 Cent mehr.“
Außerdem, so Zechner, würde sich der Aktionsanteil bei manchen Produkten, so seine Beobachtungen auf Basis der Preisdatenbank, rückläufig entwickeln: „Bei vielen Produkten ist auch eine Abnahme der Zahl und Höhe der Rabattaktionen seit 2022 zu beobachten. Das heißt, dass diese Produkte im Schnitt, also berechnet als Differenz zwischen Normalpreis und Aktionspreis, noch teurer werden.“
„Shrinkflation“: Enorme Verteuerung über Umwege
Auch die sogenannte „Shrinkflation“, also die Verteuerung von Produkten nicht über den absoluten, sondern über den relativen Preis, würde sich in der Analyse der Preise in der Datenbank gut erkennen lassen, so Zechner. Diese ist für Konsument*innen besonders ärgerlich, lässt sie sich doch noch weniger gut erkennen. Auf den ersten Blick wirken die Produkte nämlich geradezu unverändert. Er habe das etwa bei Waschmitteln beobachtet:
„Der Packungsinhalt eines Produktes wird vermindert, während der Preis gleich bleibt. Dies konnte zuletzt bei diversen Waschmitteln beobachtet werden. Die Zahl der Waschgänge geht von 52 auf 46 zurück und auch die empfohlene Menge pro Waschgang wird von 24,5 auf 22 Milliliter geändert, bei gleichbleibendem Preis. Die Plastikflasche, in der das Waschmittel ausgeliefert wird, hat dabei von vorne betrachtet die exakt selbe Größe und Form wie die Plastikflasche der alten Abgabemenge. Dafür ist sie im Profil merklich schmäler.“
Fehlender Wettbewerb schadet vor allem ärmeren Menschen
Außerdem scheint der Wettbewerb zwischen den beiden milliardenschweren Handelsgiganten SPAR und REWE, die zusammen rund 70 Prozent des österreichischen Marktes abdecken, gerade im Preiseinstiegs-Segment defacto außer Kraft gesetzt zu sein. Die Preise für die billigsten Produkte gleichen einander mitunter auf den Cent genau, selbst geringe preisliche Anpassungen werden in Windeseile vom anderen übernommen. Einer der versprochenen positiven Effekte einer staatlichen Datenbank ist damit obsolet.
Darunter leiden vor allem ärmere Menschen. Dazu Zechner: „Bei den sogenannten Diskonteigenmarken, also dem billigsten Produktsegment im Lebensmittelhandel, die die jeweiligen Ketten selbst anbieten, kostet ein Großteil der Produkte auf den Cent genau gleich viel. Konsument*innen, die aufgrund ihres Budgets ihren Grundbedarf an Lebensmitteln aus diesem Produktsegment abdecken müssen, haben somit keine wirkliche Möglichkeit auf die Suche nach günstigen Produkten zu gehen: Es kostet alles gleich viel.“
Die doppelte Verantwortung der Händler
Das oftmals vorgebrachte Argument der Handelskonzerne, dass man nicht die Hoheit über die Verkaufspreise habe, da man lediglich als Händler fungiere und daher Preiserhöhungen weitergeben müsse, ist angesichts einer anderen Entwicklung nicht mehr nachvollziehbar. Denn bereits mehr als die Hälfte aller in den Supermärkten angebotenen Produkte werden als Eigenmarken der Händler verkauft. Bei Fleisch, Milch, Butter & Co, den am meisten gekauften Lebensmitteln also, sind es sogar fast zwei Drittel.
SPAR & REWE fungieren also nicht mehr nur als Mittler, sondern agieren immer stärker auch als Produzenten. Sie tragen daher im doppelten Sinne eine Verantwortung für die Preise. Deshalb hat die Bundesregierung angekündigt nicht nur die Verkaufspreise zu überwachen, sondern auch die Einkaufspreise der Händler. In einem kürzlich präsentierten Bericht der AMA, die auf Basis der ihr gemeldeten Daten der Händler eine Übersicht über ausgewählte Einkaufspreise wie Butter, Milch und Käse erstellte, sollte das ersichtlich werden.
Das Problem dabei ist, dass von den Händlern obskure Mischkalkulationen übermittelt wurden, die keine Nachvollziehbarkeit mehr erlauben. So wird der hochpreisige heimische Bio-Käse mit dem günstigen Billig-Käse aus dem Ausland vermischt und erscheint dann als Kilo-Einkaufspreis im Bericht der AMA. Mangels gesetzlicher Grundlage könnten die Händler jedoch aktuell nicht zu mehr Transparenz verpflichtet werden.
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