Die Regiothek wurde für die Zukunft entwickelt. Leider ist dein Browser veraltet und unterstützt möglicherweise einige Techniken nicht mehr. Daher kann es zu Anzeigeproblemen kommen.

Du kannst z.B. Browse Happy besuchen um einen aktuellen Browser herunterzuladen.

Artikel

Verletzte Kinder, tote Tiere: Alle Gründe, wieso das Böllern verboten werden sollte

Die vorhandenen Zahlen und Erfahrungen zeigen deutlich, dass die negativen Folgen privater Feuerwerke weder geringfügig noch unvermeidbar sind.

12/30/2025
  • Tiere
  • Umwelt
  • Gesundheit
Verletzte Kinder, tote Tiere: Alle Gründe, wieso das Böllern verboten werden sollte

Jedes Jahr rund um den Jahreswechsel wiederholt sich in Deutschland und Österreich ein Ritual, das für viele Menschen fest mit dem Silvesterabend verbunden ist: das private Zünden von Böllern, Raketen und anderen Feuerwerkskörpern. Was als Ausdruck von Freude, Tradition und Ausgelassenheit gilt, hat jedoch eine Kehrseite, die zunehmend in den Fokus von Medizin, Umweltwissenschaft und Tierschutz rückt. Die Debatte um ein generelles Böllerverbot ist längst keine Randdiskussion mehr, sondern eine Frage von Gesundheitsschutz, Verantwortung gegenüber Tieren und nachhaltigem Umgang mit Umwelt und öffentlichen Ressourcen. Die vorhandenen Zahlen und Erfahrungen zeigen deutlich, dass die negativen Folgen privater Feuerwerke weder geringfügig noch unvermeidbar sind.

Aus medizinischer Sicht ist die Silvesternacht jedes Jahr eine Ausnahmesituation. Notaufnahmen und Rettungsdienste berichten regelmäßig von einem sprunghaften Anstieg an Verletzten, die durch Feuerwerkskörper geschädigt werden. In Deutschland werden je nach Jahr mehrere tausend Menschen wegen feuerwerksbedingter Verletzungen behandelt, allein in der Silvesternacht und den darauffolgenden Stunden. Die Bandbreite reicht von Verbrennungen an Händen und Gesicht über schwere Augenverletzungen bis hin zu dauerhaften Behinderungen wie Hörverlust oder Amputationen von Fingern und ganzen Händen.

Besonders alarmierend ist, dass ein erheblicher Teil der Betroffenen Kinder und Jugendliche sind, die entweder selbst gezündet haben oder unbeteiligt von fehlgeleiteten Böllern getroffen wurden. Auch in Österreich zeigen Statistiken des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, dass jährlich mehrere hundert Menschen medizinisch versorgt werden müssen, viele davon unter 25 Jahre alt. Diese Verletzungen sind keine „Kollateralschäden“ einer harmlosen Feier, sondern vorhersehbare und vermeidbare Folgen eines weitgehend unkontrollierten Umgangs mit Explosivstoffen.

Enorme Belastungen für die Gesundheit

Hinzu kommen gesundheitliche Belastungen, die weniger sichtbar, aber nicht minder relevant sind. Feuerwerk verursacht innerhalb weniger Stunden enorme Mengen an Feinstaub. Messungen zeigen, dass die höchsten Feinstaubwerte des gesamten Jahres häufig in den Stunden nach Mitternacht am Neujahrstag auftreten. In Deutschland werden durch Silvesterfeuerwerk jährlich rund 2.000 Tonnen Feinstaub freigesetzt, ein erheblicher Anteil davon besonders feine Partikel, die tief in die Lunge eindringen können. Diese kurzfristigen Spitzen belasten vor allem Menschen mit Asthma, COPD, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie ältere Menschen und Kinder.

Auch wenn die Belastung zeitlich begrenzt ist, kann sie akute gesundheitliche Probleme auslösen, Krankenhausaufenthalte notwendig machen und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. Die Argumentation, es handle sich nur um einen einzigen Abend im Jahr, greift hier zu kurz: Gesundheitsschutz ist kein relativer Wert, sondern ein Grundrecht, das auch an Feiertagen gilt.

Neben den unmittelbaren Auswirkungen auf den Menschen sind Tiere besonders stark von Feuerwerk betroffen. Für sie bedeutet der plötzliche Lärm, die grellen Lichtblitze und der Geruch von Rauch und Chemikalien puren Stress. Studien und Befragungen von Tierhalterinnen und Tierhaltern zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Hunde deutliche Angstreaktionen auf Feuerwerk zeigen: Zittern, Panik, Fluchtversuche, Hecheln, Orientierungslosigkeit oder aggressives Verhalten. Jedes Jahr entlaufen tausende Haustiere rund um Silvester, manche werden verletzt aufgefunden, andere nie wieder. Für viele Tiere bleibt die Silvesternacht nicht ohne langfristige Folgen, da extreme Stressereignisse Angststörungen verstärken oder erst auslösen können.

Katastrophale Auswirkungen auf Wildtiere

Noch gravierender sind die Auswirkungen auf Wildtiere, die sich weder vorbereiten noch schützen können. Vögel werden aus dem Schlaf gerissen, verlassen panisch ihre Ruheplätze und verbrauchen in kurzer Zeit große Mengen Energie – ausgerechnet in einer Jahreszeit, in der Nahrung knapp ist und jede Energiereserve überlebenswichtig sein kann. Untersuchungen mit GPS-Tracking haben gezeigt, dass Vögel in der Silvesternacht plötzlich in große Höhen aufsteigen und kilometerweit fliehen. Auch andere Wildtiere reagieren mit Stress, Flucht oder Desorientierung. Konkrete Zahlen darüber, wie viele Tiere durch Feuerwerk sterben, sind schwer zu erheben, da viele Verluste unbemerkt bleiben. Doch Fachleute sind sich einig, dass die regelmäßige, flächendeckende Störung ganzer Lebensräume eine ernstzunehmende Belastung für Tierpopulationen darstellt und mit den Zielen des modernen Tierschutzes nicht vereinbar ist.

Die Umweltbelastung durch Feuerwerk geht weit über Lärm und kurzfristige Luftverschmutzung hinaus. Pyrotechnische Produkte enthalten zahlreiche chemische Stoffe, darunter Metallsalze, die für die leuchtenden Farben verantwortlich sind. Diese Stoffe gelangen nach der Explosion in die Luft, setzen sich auf Böden, in Gewässern und auf Pflanzen ab und können dort langfristig Schaden anrichten. Schwermetalle wie Barium, Strontium oder Kupfer sind keine harmlosen Substanzen, sondern potenziell giftig für Organismen. Hinzu kommt der enorme Müll, der nach der Silvesternacht zurückbleibt: Kartonhülsen, Plastikreste, Verpackungen und nicht vollständig verbrannte Feuerwerkskörper. Kommunen investieren jedes Jahr erhebliche Summen in die Reinigung von Straßen, Parks und Plätzen, Kosten, die letztlich von der Allgemeinheit getragen werden.

Auch aus Sicht der öffentlichen Sicherheit spricht vieles für ein Böllerverbot. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste berichten regelmäßig von einer extremen Belastung in der Silvesternacht. Brände durch fehlgeleitete Raketen, Verletzungen durch unsachgemäßen Umgang und zunehmend auch gezielte Angriffe auf Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern sind dokumentierte Realität. Besonders problematisch ist der Einsatz illegaler oder selbstgebauter Sprengkörper, die eine deutlich höhere Explosionskraft besitzen als zugelassene Produkte. Selbst bei strengeren Kontrollen lässt sich nicht verhindern, dass solche gefährlichen Böller im Umlauf sind und Menschenleben gefährden.

Kein Eingriff in Freiheit

Oft wird argumentiert, ein Böllerverbot greife unzulässig in persönliche Freiheiten und Traditionen ein. Doch Freiheit endet dort, wo sie die Gesundheit und Sicherheit anderer gefährdet. Die individuelle Freude am Zünden von Feuerwerkskörpern steht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den Risiken und Schäden, die sie für Unbeteiligte, Tiere und die Umwelt verursacht. Zudem ist Tradition kein statisches Konzept: Viele Bräuche haben sich im Laufe der Zeit verändert oder sind verschwunden, weil sie nicht mehr zu den gesellschaftlichen Werten gepasst haben. Angesichts des heutigen Wissens über Umwelt- und Gesundheitsfolgen wirkt es zunehmend anachronistisch, am privaten Abbrennen von Explosivstoffen festzuhalten.

Ein generelles Böllerverbot bedeutet nicht, dass der Jahreswechsel freudlos oder grau werden muss. Im Gegenteil: Professionell organisierte Feuerwerke, leise pyrotechnische Effekte, Licht- und Drohnenshows oder andere kreative Formen des Feierns können beeindruckende Erlebnisse schaffen, ohne die gleichen Risiken mit sich zu bringen. Solche Alternativen lassen sich kontrollieren, verursachen weniger Schadstoffe, sind sicherer für Menschen und deutlich verträglicher für Tiere. Viele Städte weltweit gehen diesen Weg bereits erfolgreich und zeigen, dass ein moderner Umgang mit Tradition möglich ist.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Argumente für ein Böllerverbot überwiegend und gut belegt sind. Jährlich tausende Verletzte, vermeidbare Belastungen für Krankenhäuser, massive Feinstaubemissionen, erhebliche Schäden für Tiere und Umwelt sowie hohe gesellschaftliche Kosten sprechen eine klare Sprache. Ein Verbot privater Feuerwerkskörper wäre kein symbolischer Akt, sondern eine wirksame Maßnahme zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und Mitgeschöpfen. Die Daten aus Deutschland und Österreich zeigen deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle oder übertriebene Sorgen handelt, sondern um ein strukturelles Problem, das sich Jahr für Jahr wiederholt. Angesichts dieser Fakten erscheint die Frage nicht mehr, ob ein Böllerverbot gerechtfertigt ist, sondern warum es noch immer aussteht.


In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!

Jetzt abonnieren
Logo Oekoreich

Werde Mitglied bei oekoreich+ und erhalte Zugang zu unseren Top-Stories und exklusive Einblicke.

Mehr erfahren

Jetzt weiterlesen

oekoreich möchte ein bestmögliches Onlineangebot bieten. Hierfür werden Cookies gespeichert. Weil uns Transparenz wichtig ist können Cookies und die damit verbundenen Funktionalitäten, die nicht für die Grundfunktion von oekoreich notwendig sind, einzeln erlaubt oder verboten werden.
Details dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung. Dort kannst du deine Auswahl auch jederzeit ändern.