Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hat am Mittwoch erneut einen Wolf zum Abschuss freigegeben. Nach Schafsrissen im Osttiroler Obertilliach wurde eine entsprechende Verordnung erlassen, hieß es in einer Aussendung. Sechs tote Schafe waren am Sonntag entdeckt worden, laut Amtstierärztin besteht der Verdacht auf einen Wolf als Verursacher. Es handelt sich um die dritte Abschussverordnung seit dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Wolfsabschüssen.
Erst am Dienstag wurde eine Verordnung für den Bezirk Kitzbühel erlassen. Die Abschussgenehmigungen gelten für die Dauer von acht Wochen in einem Umkreis von zehn Kilometern für ein Tier. Es wurde betont, dass man "gemäß den gesetzlichen Vorgaben" handle.
Vertragsverletzungsverfahren droht
Der EuGH hatte vor rund zwei Wochen geurteilt, dass das Verbot der Wolfsjagd u.a. aufgrund eines ungünstigen Erhaltungszustandes in Österreich weiter aufrecht ist. Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Beschwerde von Tierschutzorganisationen, nachdem die Tiroler Landesregierung 2022 einen Wolf per Bescheid zum Abschuss freigegeben hatte. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) bat daraufhin den EuGH um eine Auslegung des EU-Rechts in dieser Frage.
Europarechtsexperten waren nach Bekanntwerden der Entscheidung der Meinung, dass der Abschuss weiterer Wölfe zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich führen könnte. In Tirol sah man hingegen "keine unmittelbaren Auswirkungen", man werde weiter Problemwölfe abschießen, wurde seitens der Landesregierung betont. Tirol erfülle mit der aktuellen Rechtslage durch die Abschüsse europarechtliche Anforderungen, spielte der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) darauf an, dass die Raubtiere im Bundesland mittlerweile nicht mehr per Bescheid, sondern nach Verordnungen abgeschossen werden. Bisher wurden im Bundesland fünf Wölfe nach entsprechenden Abschussverordnungen
geschossen.
WWF will rechtlich vorgehen
Die Umweltschutzorganisation WWF prüft "derzeit die rechtlichen Möglichkeiten", um gegen jüngst erfolgte Freigaben für Wolfsabschüsse in Österreich vorzugehen. Das teilte ein Sprecher der Organisation auf APA-Anfrage hin mit. Die jüngsten Abschussverordnungen aus Tirol, Salzburg und Vorarlberg kamen nach einem viel beachteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Anfang Juli, in dem der strenge Wolfsschutz in
Österreich bestätigt wurde.
"Die Abschussverordnungen der Bundesländer sind eindeutig europarechtswidrig", heißt es in dem WWF-Schreiben. "Daher ist zu
erwarten, dass sich die Europäische Kommission diese Praxis früher oder später ansehen wird. Somit droht Österreich aufgrund des willkürlichen Vorgehens der Landesregierungen ein potenziell teures Vertragsverletzungsverfahren."
Vor einem Vertragsverletzungsverfahren, wenn in Österreich weiter Wölfe gejagt werden, hatte auch der Vorstand des Instituts für
Europarecht der JKU Linz, Franz Leidenmühler, nach dem EuGH-Urteil im APA-Gespräch gewarnt. Der Europarechtsexperte Walter Obwexer
hatte gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" von einem "faktischen Abschussverbot" durch das Urteil gesprochen.
Die EU-Kommission in Brüssel sieht aktuell allerdings noch keinen dringenden Handlungsbedarf bei sich. "Die Kommission hat keine
spezifische Rolle bei der Bewertung solcher individueller Verwaltungsentscheidungen, diese werden vielmehr unter der Kontrolle
der nationalen Justizbehörden getroffen - wie es bei den Genehmigungen der Fall war, über die das Landesverwaltungsgericht
Tirol noch zu entscheiden hat", antwortet ein Sprecher der EU-Behörde der APA schriftlich.
ÖVP & SPÖ zeigen sich gelassen
Der Sprecher nimmt Bezug auf das noch laufende Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) Tirol, bei dem es um einen älteren
Bescheid für einen Wolfsabschuss geht. Das VVwG hatte sich an den EuGH gewandt, um die EU-rechtliche Lage zu klären und kann erst
jetzt - also nach dem erfolgten EuGH-Richterspruch - im Ausgangsfall entscheiden.
Die Interpretation dazu, was das EuGH-Urteil konkret für die Wolfsjagd in Österreich bedeutet, fiel nach der Entscheidung der
Luxemburger Richter unterschiedlich aus. Laut der Presseaussendung des EuGH sei das Wolfsjagdverbot in Österreich weiter gültig,
solange sich der Zustand der Wolfspopulation nicht verbessere.
Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ zeigte sich in einer Reaktion auf das Urteil hingegen gelassen. Dieses habe "keine
unmittelbaren Auswirkungen auf Tirol, bringt aber leider auch keine Erleichterungen", teilte der zuständige
Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) damals mit. Die Abschussverordnungen hätten sich bewährt, "und diesen Weg werden wir
konsequent weitergehen". Tirol erfüllt mit aktueller Rechtslage europarechtliche Anforderungen, spielte Geisler darauf an, dass die
Raubtiere im Bundesland mittlerweile nicht mehr per Bescheid, sondern nach Verordnungen abgeschossen werden. "Unter Anlegung eines
strengen Prüfmaßstabes können wir weiterhin Schad- und Risikowölfe entnehmen", betonte Geisler.
Der WWF forderte die Bundesländer dagegen auf, "endlich eine Herdenschutz-Offensive zu starten und die dafür verfügbaren
EU-Fördermittel zu nützen", wird WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler in der Aussendung vom Donnerstag zitiert. Auf politischer Ebene gibt es auf EU-Niveau noch keine Einigung zu einem Herabsenken des strengen Schutzstatus für den Wolf. Die EU-Kommission hatte im Dezember vorgeschlagen, den Schutzstatus des Wolfes von "streng geschützt" auf "geschützt" abzusenken. Der Entschluss muss aber vom zuständigen Umweltministerrat abgesegnet werden - die nötige Mehrheit fehlt aber noch. Erst dann kann die EU einen Abänderungsantrag für die Berner Konvention einbringen, in der der Schutzstatus der Tiere geregelt ist.
(oekoreich/APA)
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