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Meinung

Tierwohlskala: So könnte man Tierwohl auf einen Blick erkennen

Wie muss eine Tierwohlkennzeichnung inhaltlich und optisch aufgebaut sein, um von Politik, Lebensmittelhandel, AMA und Landwirtschaft am Markt anerkannt zu werden?

1/3/2023
  • Österreich
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Tierwohlskala: So könnte man Tierwohl auf einen Blick erkennen

„Wie muss eine Tierwohlkennzeichnung inhaltlich und optisch aufgebaut sein, um von den Stakeholdern Politik, Lebensmittelhandel, Gütesiegel und Landwirtschaft am Markt anerkannt zu werden?“ Diese und weitere Fragen habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit zum Thema „Welche Auswirkungen haben Green Nudges, in Form einer Tierwohlskala, auf die Kaufabsicht der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten im Alter von 20-49 Jahren“ erhoben. In meinen ersten beiden Artikeln für oekoreich habe ich erklärt, wie ich zu dem Thema kam und anschließend einen Überblick zum bestehenden Stand der Forschung erstellt. In diesem Beitrag stelle ich nun die ersten Ergebnisse vor.

Für meine Masterarbeit habe ich zunächst die Meinungen von Expert*innen gesammelt, um eine möglichst realitätsnahe Tierwohlskala zu erstellen. Im Anschluss habe ich diese Tierwohlskala bei den Konsument*innen abgefragt. In diesem oekoreich Artikel liegt der Fokus nun auf den Expert*inneninterviews. Die Ergebnisse der Konsument*innenbefragung folgen in einem weiteren Artikel.

Die Auswahl der Expert*innen

In der Auswahl meiner Interviewpartner*innen war es mir wichtig, möglichst viele Perspektiven abzudecken. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden sowohl Personen aus der konventionellen Landwirtschaft zu befragen, als auch jene, die stark mit der biologischen Landwirtschaft verwurzelt sind. Auch Vertreter*innen bestehender Gütesiegel bringen viel Erfahrung und Wissen mit, weshalb ich sehr froh darüber bin, dass ich sowohl von AMA als auch von Bio-Austria Expert*innen für ein Interview gewinnen konnte.

Der Handel spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln. Mit einer Vertreterin von SPAR, konnte ich auch diese Perspektive abdecken. Zuletzt darf bei landesweiten Entscheidungen auch die Politik nicht unberücksichtigt bleiben. Neben einer SPÖ Nationalratsbgeordneten im Landwirtschaftsausschuss, der Stv. Kabinettschefin von Leonore Gewessler und einem österreichischen EU-Parlamentsabgeordneten der Grünen, konnte ich auch im Bereich der Politik verschiedene Perspektiven beleuchten.

Die Skala

Auf Basis der Expert*inneninterviews entstand folgende Skala:

nullChiara Brammer
Tierwohlskala nach Chiara Brammer
Die Skala soll es den Konsument*innen ermöglichen, tierische Produkte miteinander zu vergleichen, ohne dabei alle Gütesiegel, Marken und Logos einzeln recherchieren zu müssen. Die Stufen A-D stehen für die Tierwohlstandards, die bei den jeweiligen Produkten (Fleisch, Eier, Milchprodukte, etc.) eingehalten wurden. Optisch und inhaltlich ist die Skala an der deutschen Haltungsformskala angelehnt. Auch das System des „Nutriscores“ erkennen womöglich einige darin wieder. Am wichtigsten war es mir eine Skala zu erstellen, die über alle Bevölkerungsschichten verstanden wird und komplexe Informationen möglichst niederschwellig vermittelt.

Im oberen weißen Bereich wird eine URL „tierwohlskala.at“ abgebildet, um interessierten Konsument*innen noch mehr Informationen zugänglich zu machen. Auf einer zugehörigen Website könnte in Zukunft über die einzelnen Skalenstufen je Tiergattung informiert werden. Auch die Kriterien, anhand derer den Produkten eine Skalenstufe zugeordnet wird, müssen hier offengelegt werden. Je höher die Transparenz der Skala ist, desto nachvollziehbarer ist sie später für die Konsument*innen.

Die Meinungen der Expert*innen

Die Expert*innen stehen der Tierwohlskala durchwegs positiv entgegen. Um ein gemeinsames Vorstellungsbild zu schaffen, habe ich das deutsche Modell der Haltungsformskala leicht abgewandelt und mit den Expert*innen besprochen. Es hat sich schnell gezeigt, dass es am deutschen Modell noch viele Kritikpunkte gibt, die ich entsprechend angepasst habe. Ein wichtiger Punkt, den viele Expert*innen genannt haben, war die Benennung der Stufen. Das deutsche Modell verwendet hierfür die Ziffern 1-4, wobei 4 die beste Haltungsform beschreibt. Hier wird als Kritikpunkt genannt, dass es zu Verwirrung in Bezug auf die Eierkennzeichnung kommen könnte, bei der die Stufe 0 die biologische Tierhaltung und die Stufe 3 die Käfighaltung beschreibt.

Orientiert man sich nun an dem deutschen Modell, so wäre die Reihenfolge genau anders herum. Aus diesem Grund habe ich mich auf Basis der Expert*innenmeinungen dazu entschieden, die Skalenstufen mit Buchstaben zu benennen, wie es auch beim Nutriscore oder bei der Energieeffizienzskala der Fall ist. Zusätzlich wird durch das farbliche Ampelsystem verdeutlicht, dass es sich bei der grünen Skalenstufe um die tierfreundlichste Variante handelt.

Wie kann Tierwohl definiert und abgestuft werden?

Im Gegensatz zum deutschen Modell wollte ich über die reine Haltungsform hinausgehen und wollte von den Expert*innen wissen, welche Aspekte sie miteinbeziehen würden, um Tierwohl zu definieren. Die Ergebnisse meiner Interviews zeigen, dass es neben der Haltungsform auch um Transport, Schlachtung und medizinische Eingriffe geht. Je nach Tiergattung sind allerdings andere Kriterien von Relevanz. Schweine haben beispielsweise andere Bedürfnisse als Rinder oder Geflügel. In jedem Fall geht es bei Tierwohl um große und komfortable Ställe, Auslauf, gentechnikfreies Futter und die Möglichkeit das natürliche Sozialverhalten artgerecht auszuleben. Das gesamte Leben, von der Geburt bis zur Schlachtung, soll sich dabei an den obigen Kriterien orientieren und möglichst stressfrei ablaufen.

Neben den Kriterien spielt auch die Untergliederung der einzelnen Stufen eine wichtige Rolle. Mein vorläufiger Ansatz ordnet die Stufe D allen landwirtschaftlichen Betrieben zu, die die gesetzlichen Mindeststandards erfüllen. Stufe C wird an Betriebe vergeben, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen. Stufe B sind schließlich Betriebe, die die Bestimmungen nach EU-Bio-Verordnung erfüllen. An dieser Stelle muss aber auch angemerkt werden, dass ich mich mit der Skala ausschließlich auf das Wohl der Tiere beziehe.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb, der sehr hohes Tierwohl gewährleistet aber beispielsweise kein Bio-Futter verfüttert, kann demnach ebenfalls in der Stufe C landen, auch ohne ein zertifizierter Bio-Betrieb zu sein. Stufe A erhalten schließlich jene Betriebe, die noch über die Standards der EU-Bio-Verordnung, im Bereich Tierwohl hinausgehen, indem sie beispielsweise mehr Auslauf, mehr Platzangebot oder kürzere Transportwege sicherstellen. In Österreich sind das aktuell (nachweislich) jene Betriebe, die das AMA-Bio-Siegel oder das Bio-Austria-Logo tragen. Es handelt sich bei den obigen Abstufungen um meinen erarbeiteten Vorschlag. Im Falle einer tatsächlichen Einführung der Skala muss eine finale Abstufung in Zusammenarbeit mit Tierwohlexpert*innen und Veterinärmediziner*innen festgelegt werden.

Abschließende Worte der Expert*innen

Damit eine derartige Skala erfolgreich eingeführt werden kann, braucht es vor allem eine transparente, offene und ehrliche Kommunikation. Die Konsument*innen sollen nachvollziehen können, wie die Einstufungen zustande kommen und darauf aufbauend entscheiden, ob sie bereit sind einen Aufpreis dafür zu bezahlen. Auch mögliche Start-Schwächen sollen aufgezeigt werden, um Vertrauen zu gewinnen und zu zeigen, dass die Skala mit weiteren Erkenntnissen laufend entwickelt und verbessert wird.

Damit dieses Vertrauen aufgebaut werden kann, benötigt es außerdem ein nachvollziehbares und dichtes Kontrollsystem. Betriebe müssen regelmäßig überprüft werden und bei Verbesserung oder Verschlechterung des Tierwohls wird auch die Skalenstufe entsprechend angepasst. Je mehr Landwirt*innen und Handelsketten schließlich die Tierwohlskala auf ihren Produkten platzieren und je stärker die Konsument*innen dazu bereit sind, sich für höhere Tierwohlstufen zu entscheiden, desto mehr kann das Wohl der österreichischen Nutztiere langfristig gesteigert werden.


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