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Irritation über ORF: Greenwashing für multinationale Konzerne?

Ein aktueller ORF-Bericht sorgt für Irritation: Wie groß ist der Einfluss von Konzernen in gewissen ORF-Formaten? Welche Rolle spielt der Verein "Land schafft Leben" und wessen Interessen vertritt er? Wir haben nachgefragt.

5/31/2021
  • Österreich
Irritation über ORF: Greenwashing für multinationale Konzerne?
Thomas Ledl
Gesamtanlage ORF-Zentrum Küniglberg

Immer wieder staunen Zuseher*innen über die ausgesprochen hohe Präsenz von Konzernen aus Industrie & Handel im ORF und schreiben uns, weil sie diese in einzelnen Programmformaten fragwürdig finden. Aktuelles Beispiel und Aufreger: Ein Bericht im ORF-Magazin „Konkret“, in dem der Handelskonzern HOFER seine Nischen-Produktlinie „FairHof“ mit nur 4,5 Prozent Sortimentsanteil des Fleischproduzenten „Hütthaler“ vorstellen konnte.
 
Mit dabei: Der von ihm mitfinanzierte Verein „Land schafft Leben“. Dessen Obmann Hannes Royer ist in beeindruckender Häufigkeit nicht nur bei „Konkret“ als Experte geladen, sondern auch in einzelnen anderen Fernsehformaten des ORF zu Gast. Das wirft bei unseren Leser*innen die Frage auf, ob und welcher Zusammenhang zwischen der Einladungspolitik des ORF und Werbeschaltungen besteht. Deswegen haben wir nachgefragt.

Denn der ORF ist zurecht bekannt für seine vielen informativen und wertvollen Programme – denken wir nur etwa an das beeindruckende Angebot von Ö1 oder ORF III. Oder an das Pflichtprogramm ZIB 2, an großartige Formate wie „Kulturmontag“ und Magazine wie „Report“, „Mensch & Mächte“ und „Weltjournal“. Man könnte das noch lange fortführen, die Redaktionen arbeiten herausragend. Umso wichtiger ist ihre absolute Unabhängigkeit.
 
Verblüffende Antworten auf Nachfrage beim ORF
 
Wir haben Generaldirektor Alexander Wrabetz und anderen Führungskräften direkt geschrieben und Sie gefragt, nach welchen Kriterien die „Experten“ für „ORF Konkret“ ausgewählt werden. Und ob im Sinne der Objektivität auch darauf geachtet wird, dass Geldgeber und Geldnehmer nicht im gleichen Beitrag nebeneinander auftreten, als wären sie nicht finanziell miteinander verbunden. Die Antwort des ORF war verblüffend.
 
Es meldete sich der Sendungsverantwortliche von „ORF Konkret“, Peter Baminger. Man könne die Kritik nicht nachvollziehen, schließlich würde Hannes Royer als Obmann von „Land schafft Leben“ aufgrund der „kaum übersehbaren“ Arbeit des Vereins eingeladen, die „immer wieder Neues bietet“. Der Redaktion sei darüber hinaus nicht bekannt, dass Konzerne den Verein finanzieren würden. Das ist dann doch einigermaßen fragwürdig.
 
Man kennt und schätzt die hochqualitative journalistische Arbeit des ORF über die Landesgrenzen hinaus. Wenn das Leitmedium des Landes etwas aufgreift, dann hat es Gewicht, dann steht das auch für Seriosität, für ein ausgewogenes Meinungsbild, für ganzheitliche Betrachtung. Insofern verwunderlich, dass der Sendungsverantwortliche angibt, er wisse nicht, wen er da so oft zu Wort kommen lasse.
 
Der Background des Dauergastes: Bauer? Konzernsprecher?
 
Das wäre aber wichtig. Denn spricht Hannes Royer in seiner Funktion als Bergbauer? Oder als Fürsprecher seiner Geldgeber? Gibt es keine anderen Landwirte, NGOs oder Landwirtschaftsexperten, die man einladen könnte? Und vor allem: Ist die Herkunft des Geldes seines Vereins nicht relevant für die Bewertung der Unabhängigkeit seines Expertenstatus? Denn diese Verbindungen sind transparent.
 
Immerhin findet man auf der Homepage des Vereins recht prominent eine Auflistung all jener Konzerne, die dort mutmaßlich jeweils massenhaft Geld einzahlen. Nach eigener Auskunft hat der Verein inzwischen ein Millionenbudget zur Verfügung und konnte erst kürzlich zusätzliche Räumlichkeiten in bester Wiener Innenstadt-Lage beziehen. Auch die Namen der Kooperationspartner, von AMA bis Handelsverband, lassen tief blicken.
 
Doch wer sind nun die Unternehmen, die so scheinbar uneigennützig Geld springen lassen für einen Verein, der von sich selbst sagt, dass er sich „nicht beeinflussen“ lasse und „keine Werbung“ mache? Das ist nur teilweise offengelegt. Es sind derzeit 63 Betriebe, erfährt man auf der Homepage. Und dabei handelt es sich in der Regel nicht um die beliebten Regionalversorger, sondern um die ganz Großen der heimischen Industrie.
 
260 Milliarden Euro: Großes Geld hinter „Land schafft Leben“
 
Zehn Unternehmen konnten wir nicht finden, es wäre besonders interessant zu erfahren, um welche Wirtschaftsgiganten es sich dabei handelt. Doch auch die offiziell angegebenen Sponsoren bringen es auf eine gewaltige Finanzmacht. Schätzungsweise fast 30 Milliarden Euro an Jahresumsatz bringen die namentlich genannten Financiers des Vereins zusammen, ein großer Brocken entfällt dabei auf die Handelsriesen HOFER und REWE.
 
Und das sind nur die konkreten Mitglieds-Unternehmen von „Land schafft Leben“, also die operativen Unternehmensteile, die auf der Homepage aufgeführt werden. Berücksichtigt man aber auch die Mutterkonzerne dieser Firmen, dann ist man schnell bei einem zehnfachen Finanzvolumen. Weit über 260 Milliarden Euro sind die Eigentümer jener Unternehmen wert, die bei „Land schafft Leben“ jährlich einzahlen.
 
Was war die Leistung?
 
Wer die Arbeitsweise multinationaler Konzerne kennt, der fragt sich sofort: Was bekommen Sie dafür? Gibt es womöglich sogar einen Zusammenhang zwischen Inserate-Schaltungen der Konzerne beim ORF und der Einladung von „Land schafft Leben“ in ausgewählte ORF-Formate? Der Sendungsverantwortliche von „Konkret“ verneint das. Eine öffentlich einsichtige Liste der jährlich geschalteten Inserate ist nicht auffindbar. Ein Viertel seines Budgets, rund 220 Millionen Euro, muss der ORF jedenfalls jährlich aus Werbung bestreiten.
 
Doch die Häufung der redaktionellen Berichte in ORF-Formaten, etwa auch in den Regionalausgaben, bei denen einzelne Produktschienen und Lieferanten von Handelskonzernen in Reportagen genauer portraitiert werden, ist interessant. Diese Form der Aufmerksamkeit in Breitenmedien würden sich kleine Regionalversorger oder ländliche Direktvermarkter wohl auch wünschen. Es bleibt beim frommen Wunsch.
 
Keine Antworten auf unbequeme Fragen
 
Weder der letztverantwortliche Generaldirektor Alexander Wrabetz noch die zuständige Programmdirektorin Kathrin Zechner wollten trotz Rückfrage antworten. Zurück bleibt ein fahler Nachgeschmack und die Frage, ob der ORF nun freiwillig oder unfreiwillig, bezahlt oder unbezahlt, bewusst oder unwissentlich eine Form von Greenwashing für Konzerne betreibt oder nicht. Das Sichtbare stimmt jedenfalls nachdenklich.
 
Und es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob ein starker und unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht grundsätzlich stärker öffentlich ausfinanziert sein sollte, um gar nicht in diesem hohen Ausmaß von Werbegeldern abhängig zu sein. Und ob es nicht eine Auskunftspflicht geben sollte, aus welchen konkreten Kanälen sich der ORF finanzieren muss und welchen Einfluss die Konzerne dadurch womöglich fallweise auf die Berichterstattung haben. Ein staatliches Medienunternehmen, das auf gesetzlicher Basis agiert, sollte Fragen beantworten können und müssen, gerade auch wenn sie unbequem sind. Eines ist jedenfalls klar: Wir bleiben da dran. Gerade weil uns der ORF so wichtig ist.


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