Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und der Österreichische Alpenverein (ÖAV) haben einen Stopp der Verbauung von unberührten Naturräumen sowie ein Umdenken in Tirols Tourismus- und Energiepolitik gefordert. Es müsse Schluss sein mit geplanten Gletscherskigebietserweiterungen, auch gegen den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal wurde erneut mobil gemacht. Verlangt wurde auch eine "juristische Nachschärfung" in Form von geänderten Genehmigungsverfahren.Die Verantwortlichen kritisierten bei einer Pressekonferenz in Innsbruck im Vorfeld des Tags zum Schutz der Alpen jedenfalls zunehmende Eingriffe in hochalpine Räume. Der Druck auf ebendiese steige - durch Tourismusprojekte, Kraftwerksausbau und "fehlenden politischen Mut zur Begrenzung".
Gerd Estermann von der Bürgerinitiative Feldring, die zusammen mit "#aufstehn" den Tag zum Schutz der Alpen ins Leben rief, warnte in diesem Zusammenhang vor kurzfristigem Gewinnstreben in der Tourismusbranche. "Dabei müssten Touristiker in Tirol am besten verstehen, dass eine intakte Natur, das nachhaltige Kapital der Zukunft für die Alpenregion und den Tourismus im Land ist", erklärte Estermann. Eine weitere Expansion schade sowohl der Natur als auch der einheimischen Bevölkerung. Ohne Umdenken drohten in Zukunft Bauruinen mit Stahlgerüsten" statt lebendiger Berglandschaften.
Estermann kritisierte fehlende Dialogbereitschaft von Verantwortungsträgern wie Tourismuslandesrat Mario Gerber (ÖVP) und sprach sich gegen neue Seilbahnen und Aussichtsplattformen in unberührter Natur aus. Auch Windräder - von denen im Bundesland derzeit wenige in Planung sind - waren dem Umweltschützer ein Dorn im Auge. Schließlich müssten dafür zunächst Bergstraßen ausgebaut werden, um die schweren Windräder hinauf zu bekommen, spielte er etwa auf ein abgesagtes Windpark-Projekt am Simmering im Oberland an.
"Bergsteigerdörfer" als Positivbeispiel
Clemens Matt, Generalsekretär des ÖAV, merkte indes zwar an, dass bereits genehmigte Projekte "nicht mehr zu stoppen" seien. Aber er sprach sich dafür aus, dass der bestehende Rechtsrahmen bei der Genehmigung von Projekten oder bei Neuerschließungen neu gedacht werden müsse. Als Positivbeispiel nannte er die "Bergsteigerdörfer", die Tourismus und Naturschutz vereinen würden. "Dabei zeigt ein Gütesiegel wo Nachhaltigkeit gelebt wird, die Wertschöpfungskette noch im Ort ist und keine Infrastrukturmaßnahmen mit großem Auswuchs durchgeführt werden müssen", verwies Matt. Inzwischen gebe es über 40 solcher Dörfer in Österreich, der Schweiz, Italien und Slowenien. Bei Verstößen werde das Gütesiegel entzogen - zuletzt in Kals am Großglockner wegen eines geplanten Hotelprojekts, erläuterte der ÖAV-Generalsekretär. Lob hatte er für "Österreich Werbung" parat, weil sie diese neue "Möglichkeit des Tourismus erkannt" hätten.
Auch strengere Regeln für Gletscherskigebiete wurden gefordert. "Gletscherskigebiete sind jetzt schon Dauerbaustellen. Und umso mehr die Gletscher zurückgehen, desto mehr muss wiederum gebaut werden", warnte der Tiroler Filmemacher Harry Putz. Sein Dokumentarfilm "Requiem in Weiß" thematisiert die zunehmende Gletscherschmelze und menschliche Eingriffe in die Natur und wird am Tag zum Schutz der Alpen im Innsbrucker Leokino gezeigt. Putz forderte eine "juristische Nachschärfung" für den hochalpinen Raum. Es könne nicht sein, dass Gletschergebiete wie der "Gepatschferner und Linke Fernerkogel verbaut werden" würden.
WWF: Alternativen zu Kaunertal-Projekt
Dem WWF wiederum waren Kraftwerksprojekte im hochalpinen Raum ein Dorn im Auge. Maximilian Frey vom WWF Österreich sprach sich klar gegen den vom landeseigenen Energieversorgers Tiwag geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal aus. Dieser sei "weder sicher noch umweltverträglich" und gefährde das einzigartige Hochmoor im Platzertal. Er forderte Tirols Landeshauptmann und Tiwag-Eigentümervertreter Anton Mattle (ÖVP) auf, das Projekt zu stoppen. Es gebe etwa im Kühtai "Alternativen mit vergleichbarer Pumpspeicherkapazität". Auch durch Optimierung bestehender Speicheranlagen - wie bei Großprojekten in Vorarlberg und Salzburg - könne eine neue Naturzerstörung hintangehalten werden.
Auch Lena Öller von "Protect Our Winters" (POW) betonte die Bedeutung ambitionierten Umwelt- und Klimaschutzes: "Österreich lebt nicht nur als Tourismusdestination von einer intakten Berg- und Naturlandschaft. Größere Eingriffe sind schlicht nicht mehr vertretbar." Ein kurzfristiges Gewinnstreben zerstöre nicht nur die Natur, sondern auch die Basis für nachhaltigen Tourismus und Lebensqualität, warnte sie.
(oekoreich/APA)
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