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Reportage

Kalb rosé statt Kälberreise: So soll der Ausverkauf der Kälber ins Ausland enden

Bis zu 50.000 Kälber werden jedes Jahr ins Ausland gebracht - ein unhaltbarer Zustand. Journalist Paul Lohberger untersucht, wie sich das ändern kann.

12/8/2021
  • Tiere
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Kalb rosé statt Kälberreise: So soll der Ausverkauf der Kälber ins Ausland enden

Bis zu 50.000 österreichische Kälber werden pro Jahr exportiert. Die Transporte innerhalb der EU unterliegen vielen Auflagen und Kontrollen, werden aber nie artgerecht sein. Und wenn die Tiere später auf Schiffen „weiterreisen“, sterben bis zu 20 Prozent. Auch Kälber aus Österreich landen auf diesen Schiffen. Zugleich importiert Österreich Kalbfleisch von etwa doppelt so vielen Tieren, wie exportiert werden. Dahinter stecken wie so oft Marktmechanismen, die es zu hinterfragen gilt. Die KonsumentInnen können nicht nur im Supermarkt, sondern auch in der Gastronomie Bewusstsein zeigen.

In den Restaurants und gehobenen Landgasthäusern, die ich vom Urlaub in Oberösterreich kenne, wird es immer mehr üblich: Selbstbewusst werden auf einer Seite in der Speisekarte die Lieferanten der verwendeten Nahrungsmittel aufgelistet, Namen mit Ortsangaben - lauter regionale ProduzentInnen. Diese Ware hatte also keine unnötig langen Wege hinter sich, die weder der Qualität noch dem Klima guttun.

Dazu kommt das gute Gefühl, etwas zum Erhalt der lokalen Strukturen beizutragen. Natürlich ist es deswegen nicht schlecht, Spezialitäten von anderswo zu genießen. Aber warum soll ich etwas von woanders herankarren, was ich auch im Land produzieren könnte? Diese Frage sollte man sich gerade dort stellen, wo die heimische Tradition beim Lokalimage und seinen zentralen Gerichten – Stichwort original Wiener Schnitzel – mitschwingt, jedoch unklar bleibt, wo das Fleisch herkommt.

Mehr Import als Export

Wie gesagt, Österreich importiert doppelt so viel Kalbfleisch, wie Kälber exportiert werden. Exportiert werden lebende Kälber, importiert eher Kalbshälften – kein unbedeutender Unterschied, doch dazu später. So erklärt auch Adolf Marksteiner, bei der Landwirtschaftskammer Österreich verantwortlich für die Marktpolitik für tierische Erzeugnisse: „Wir wollen die Inlandsproduktion bei Kalbfleisch wieder verbessern. Wir haben nur mehr 50 Prozent Selbstversorgungsrate, weil deutlich billigeres Kalbfleisch aus Nordeuropa - Niederlande, Deutschland, Belgien - viele österreichische Erzeuger zur Aufgabe der Produktion gebracht hat.“ Von 70.000 Kälbern möchte man wieder auf 100.000 steigern. Dafür müssen auch Kriterien überdacht werden, die lange Zeit auch die heimische Klassifizierung von Kalbfleisch bestimmt haben.

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Mit der Kälber-Mast in Holland oder Spanien ist die in Österreich überhaupt nicht vergleichbar
Hohe Qualität, kuriose Standards

Wie so oft erweist sich die kleinteilige Struktur der heimischen Landwirtschaft als wenig konkurrenzfähig bei den Preisen am internationalen Markt. Dafür hat diese Struktur andere Qualitäten bei den Kälbern: „Fast 100 Prozent betriebseigene oder inländische Futtermittel kommen zum Einsatz, wobei Gras, Heu und Grundfutter immer noch im Vordergrund stehen und nicht Importfuttermittel aus Drittstaaten“, erklärt Marksteiner. Auf Palmöl würde gänzlich verzichtet und auch überwiegend gentechnikfrei gewirtschaftet – oft würde das gar nicht extra ausgelobt.

Am großen Markt gilt aber vor allem ein Kriterium: Das Kalbfleisch soll möglichst hell sein, je weißer, desto besser. Dieser vor Jahrzehnten eingeführte Standard wird schon länger diskutiert, zumal er nur durch völlig unnatürliche Ernährung erlangt werden kann. „Früher war es so, dass ganz junge Kälber als bestes junges weißes Fleisch ein sehr hohes Image hatten: Junges, unverfälschtes, leicht verdauliches, zartes Fleisch, sehr gut für Diät geeignet“, so Adolf Marksteiner. „Später wurde das genutzt, um auch für viel ältere Kälber dieses >Weißfleisch-Image< zu kopieren.“

Unnatürliche Mast

Das Kalbfleisch ist zuerst hell“, erklärt Max Hörmann, Veterinär bei der Landwirtschaftskammer Österreich, „bis zur Ausbildung des Vormagens, wenn das Kalb Heu frisst“ – man spricht von „Raufutter“. Davon haben die Mastkälber, deren Fleisch importiert wird, kaum etwas gesehen, sagt Max Hörmann: „Die sind groß wie Rinder, das Fleisch ist aber ganz hell.“ Dennoch entsprechen sie den EU-Normen. Die lassen immer etwas Spielraum, so Simone Steiner, Veterinärmedizinerin bei der Rinderzucht Austria: „In Österreich werden Heu und Grassilage gefüttert. Das Eisen darin färbt das Fleisch rot. Mais und Stroh hält Fleisch heller.

Die Kälber dürften in Österreich vom Gesetz her mit Vollmilch und Milchaustauscher gefüttert werden. „Es gibt aber große Molkereien, die vorschreiben, dass die Kälber mit Vollmilch gefüttert werden müssen. Die Molkereien sind es, die verbieten, dass in Österreich Milchaustauscher eingesetzt werden, die Palmöl enthalten.“ An der Fütterung mit Milchaustauschern wäre nichts auszusetzen, besonders wenn sie Mineralstoff- und Vitaminzusätze enthalten, erläutert Simone Steiner. Je mehr pflanzliche Eiweiße die Milchaustauscher enthielten, desto mehr Probleme machten sie bei der Verdauung.

Kälber als Belastung

Bei den Ställen schreibt die EU-Verordnung vor: „Die Fläche zum Liegen muss bequem, sauber und ausreichend drainiert sein und darf den Kälbern keinen Schaden zufügen. Für Kälber unter zwei Wochen ist eine geeignete Einstreu vorzusehen.“ Die österreichische Tierhaltungsverordnung präzisiert, dass die Liegefläche trocken, weich und verformbar sein muss.

So werden die Boxen in Österreich meist mit Stroh eingestreut“, sagt Simone Steiner. Dieser Aufwand ist für MilchbäuerInnen meist zu groß, „der Bauer muss die Kälber loswerden“, sagt Thomas Waitz, Biobauer und EU-Abgeordneter. „Auf der Weide ist keine Kälbermast möglich.“ Man müsse die Mast extra fördern, der Markt schätze die Qualität nicht ausreichend.
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Rosa, nicht weiß soll das Fleisch von einem gesunden Kalb sein
Kalb rosé statt Kälberreise

Doch genau im Qualitätssegment lässt sich ansetzen: Christian Meyer ist ein Spitzenkoch aus dem Elsass und der Präsident der Euro-Toques Österreich. Die Euro-Toques sind eine Vereinigung europäischer Köche im Geiste der kulinarischen Kultur und Tradition. Sie setzen sich für traditionelle Handwerksqualität und auch lokale Zutaten ein, vor allem die hochwertigen. „Gutes Kalb ist dunkel-rosa“, befindet Meyer. Ein Kotelett wäre dann vielleicht nicht so groß wie beim weißen Kalbfleisch, doch „der Geschmack hat Kraft, das weiße schmeckt lasch im Vergleich.

Rosa Kalb bekommt man bei guten Fleischhauern, aber das meiste ginge derzeit in die Spitzengastronomie. „Bei den Importen fehlen auch viele Teile, die früher Spezialitäten waren“, moniert der Koch: Hirn, Bries, Nieren. „Warum immer nur das Schnitzel aus der Oberschale?“ Gerade das Kalb wäre hervorragend zur kompletten Verwertung geeignet: „Schulter und Bauch sind ideal für die kulinarische Mittelschiene“, damit wäre Kalb wieder zurück am Menü der breiten Masse. Damit der Rollbraten schmeckt, muss das Rohmaterial Fleisch aber aus guter Produktion stammen. „Tierwohl geht mit Geschmack Hand in Hand“, so Christian Meyer.

Bewusstsein und Kennzeichnung

Neue Programme setzen in Österreich auf Leichtkälber aus Salzburg und Tirol, die 3 Monate alt sind, und eben Kalb rosé im Alter 7 bis 8 Monate. Mit Naturnähe als Spezialität wäre das sicher gut vermarktbar, „über eine entsprechende Kampagne“, meint Thomas Waitz, „das lässt sich gut auf nationaler Ebene regeln.“ Es scheint, als wären alle Beteiligten auf einer Linie.

Schwierig wird es bei der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in Gastronomie und Hotellerie. Manche machen das natürlich aus Überzeugung, doch andere nicht, und auch die Branchenvertretung wehrt sich dagegen. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass sich die Prestigewirkung des Spitzensegments in die Breite überträgt. Akzeptiert oder nicht, ohne Bewusstsein und ohne Kennzeichnung konkurriert das Kalb rosé mit den Dumping-Importen.


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