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Reportage

Bäuerin erklärt Unmut: „Man hat kleine Betriebe bewusst in die Enge getrieben“

Jungbäuerin Sandra Klappacher kennt beide Seiten - und bemüht sich um Dialog. Im Interview spricht sie über Herausforderungen und Wünsche.

3/5/2024
  • Österreich
  • Landwirtschaft
Bäuerin erklärt Unmut: „Man hat kleine Betriebe bewusst in die Enge getrieben“

In den letzten Wochen liest und hört man viel vom Unmut in der Landwirtschaft, man sieht Bilder von großen Protesten in Frankreich und in Deutschland. In Österreich ist die Lage ruhig, doch auch unter heimischen Bäuerinnen und Bauern gibt es viele, die sich Sorgen machen. In den Medien kann man davon nur wenig lesen, die Probleme der Landwirte sind daher für Konsumenten oft nicht nachvollziehbar - viel zu weit sind die meisten Menschen inzwischen von der Entstehung der Lebensmittel entfernt.

Umso wichtiger ist es, dass authentische Einblicke in die Lebenswelt von jenen in der Landwirtschaft gewährt werden und genau darum bemüht sich auch Jungbäuerin Sandra Klappacher. Sie bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Bauernhof in Salzburg. Ursprünglich kommt sie nicht vom Land, sie kennt also die Perspektive von außen noch ganz gut. Und vielleicht kann sie gerade deshalb so treffsicher zwischen der Landwirtschaft und den Konsumenten vermitteln, wie sie das auch als „Farmfluencerin“ in sozialen Netzwerken zeigt. Dort ist die als „gestiefelte_zuckerruebe“ bekannt und begeistert tausende Menschen mit ihren Einblicken, die einen unverfälschten Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt von Bäuerinnen und Bauern in Österreich geben.

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Bäuerin Sandra Klappacher vulgo "Gestiefelte Zuckerrübe"
Ein Leben am Bergbauernhof

Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann, ihren beiden Kindern und den Schwiegereltern auf ihrem Bauernhof, auf knapp über 1.000 Metern Höhe im Salzburger Tennengau. Mit ihnen leben dutzende Tiere, genauer gesagt 46 Kühe, 2 Pferde, 2 Ponys, 30 Schafe, 15 Ziegen, 2 Schweine, 3 Hunde, 4 Katzen, 2 Enten und 15 Hühner. Sie bewirtschaften eine große Fläche, um genug Futter selbst herstellen zu können.

Sandra hat eine landwirtschaftliche Schule besucht und zusätzlich eine Lehre im Hotelgewerbe absolviert. Die Arbeit am Bauernhof hat sie sich durch „learning by doing“ selbst beigebracht und gemeinsam mit ihrem Mann ist sie innovativ unterwegs. Sie wollen ihren Hof so weiterentwickeln, dass er einen Kreislauf darstellt und beispielsweise Kälber nicht ins Ausland verkauft werden müssen. Die Tiere sollen auf ihrem Hof ein Leben ohne Stress und Druck verbringen können und das Fleisch dann direkt vermarktet werden.

Im Sommer sind die Tiere übrigens auf einer Alm, die auf einer Seehöhe von 2.000 Metern liegt. Schweine, Ziegen, Kühe und die Menschen bilden dort ein eigenes „Ökosystem“ und ergänzen sich in der Haltung wunderbar. Es ist eine körperlich sehr anspruchsvolle, aber auch sehr erfüllende Form der Landwirtschaft, die Sandra und ihre Familie praktizieren. Doch das ist nicht alles, was sie tun.

Von Anfeindungen und Rechtfertigungen

Denn die junge Mutter und Neo-Bäuerin setzt sich leidenschaftlich für den Dialog mit ihren Mitmenschen ein und möchte mit ihren persönlichen Perspektiven auch dazu beitragen, dass Konsumenten besser verstehen, wie es ist, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Daher haben wir Sandra anlässlich der jüngsten Proteste zum Interview gebeten und geben im Folgenden ihre Antworten in leicht gekürzter Form wieder.

Der Anlass waren jedoch nicht nur die öffentlichen Unmutsäußerungen der Landwirte, sondern auch hitzige Debatten in sozialen Netzwerken. Dort müssen Bäuerinnen und Bauern nämlich immer wieder als „Zielscheibe“ für den Ärger von Konsumenten herhalten und werden mitunter beschimpft und diffamiert. Es handelt sich um eine mehr als unfaire Konstellation, bei der am Ende wir alle draufzahlen.
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Auch eine Alm wird von der Familie bewirtschaftet
oekoreich: Bist Du schon mit Beleidigungen durch vegan lebende oder im Klimaschutz aktive Menschen konfrontiert gewesen? Was waren deren „Vorwürfe“?

Ja, in der Online-Welt gehören solche Vorfälle leider mittlerweile zur Tagesordnung. Ich ziehe jedoch eine klare Linie zwischen veganer Ernährung und Klimaschutz, da für mich Veganismus nicht automatisch klimafreundlich bedeutet. Die Hemmschwelle für vegan lebende Menschen in den sozialen Medien ist in der Kommunikation sehr niedrig, teilweise sogar aggressiv. Ich werde als Mörderin und Tierquälerin beschimpft. Es ist auch vorgekommen, dass uns ein grausamer Tod gewünscht wurde.

Menschen, die den Klimaschutz unterstützen, begegnen einem grundsätzlich auf Augenhöhe. Diskussionen sollten fachlich fundiert sein. Dennoch hat man das Gefühl, dass es zu einem Trend geworden ist, Bauern anzugreifen. Die Aussagen sind meist dieselben und werden trotz anderslautender wissenschaftlich belegter Studien nicht hinterfragt, ähnlich wie das Weiterverbreiten eines Videos, ohne es zu prüfen.

Im realen Leben ist mir so etwas noch nie in dieser Weise passiert. Man lebt zusammen und respektiert sein Gegenüber sowie deren Lebenseinstellungen. Ich habe auch vegan lebende Menschen in meinem Umfeld. In der Kommunikation miteinander bleibt der Mensch im Fokus und nicht die unterschiedlichen Lebenseinstellungen. Dieser Aspekt fehlt mir in der Kommunikation in den sozialen Medien - die Möglichkeit, menschlich zu bleiben. Man sieht den Menschen hinter dem Instagram Profil nicht.

oekoreich: Was macht das mit Dir, wenn Du mit solchen Anfeindungen konfrontiert bist?

Gute Frage. Da es sich um soziale Medien handelt, kann ich sie gut ausblenden. Sie sind regelrechte Energie-Räuber. Ich versuche, mich nicht zu sehr darin zu verlieren. Aber natürlich bin auch ich nur ein Mensch und habe Tage, an denen mein Körper und Geist erschöpft sind. In solchen Momenten können mich solche Anfeindungen wirklich treffen.

Aus der Sicht einer Landwirtin, die nach dem gesunden Mittelweg sucht und sich ständig weiterentwickeln möchte, bin ich offen für das Zuhören. Vielleicht finden wir Wege, um einige Forderungen umzusetzen, aber dazu bedarf es konstruktiver Gespräche ohne Beleidigungen unter der Gürtellinie. Ich wünsche mir, dass uns Bauern ebenfalls zugehört wird. Ich zwinge niemandem meinen Lebensstil auf, und genauso möchte ich behandelt werden.

Es ist verletzend, wenn wir oft als eiskalte Menschen ohne Gefühle dargestellt werden. Ich bin eine Person mit einer gesunden Psyche. Doch wir müssen bedenken, dass momentan viele junge Menschen mit schweren psychischen Problemen kämpfen und die Berufsgruppe Landwirt europaweit die Berufsgruppe mit der größten Suizidrate ist. Hinter jedem Betrieb steckt eine Familie. Hinter mir steht ein Team von jungen Landwirten. Wir teilen unsere Gedanken, überlegen uns Weiterentwicklungen und treffen uns persönlich. Die „Farmfluencer“ sind meine „Homebase“ für Gespräche zu diesem Thema.
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Bäuerin Sandra in ihrem Element
oekoreich: Wie erlebst Du die öffentliche und politische Debatte, wo oft auf die besondere Rolle der Landwirtschaft beim Schutz des Klimas hingewiesen wird?

Klimaschutz bedeutet, dass JEDER zurückstecken und einen Teil seines gewohnten Luxus abtreten muss. Dafür ist unsere Gesellschaft jedoch nicht bereit. Es ist einfacher, einen Sündenbock zu haben, auf den man zeigen kann, als sich um seinen eigenen ökologischen Fußabdruck zu kümmern - doch am Ende muss der Bauernstand die Konsequenzen tragen.

Für mich bedeutet Klimaschutz, dass ALLE, egal ob ich, mein Nachbar, China oder die USA, ihren Beitrag leisten müssen. Glaubt man wirklich, dass dieses kleine Land Österreich die gesamte Welt retten kann? Das, was wir in einem Jahr an Emissionen ausstoßen, wird in anderen Regionen der Welt an einem Tag verschwendet. Österreich kann ein gutes Beispiel sein, aber jeder muss mitanpacken.

Die Landwirtschaft verbraucht Ressourcen, aber wir geben auch viel zurück in diese Kreislaufwirtschaft. Leider wird das kaum medial oder politisch erwähnt. Negative Schlagzeilen scheinen das Volk in ihrer Unzufriedenheit zu bestätigen. Ein Beispiel dazu: Der Methan-Ausstoß der Kühe wurde viel zu hoch berechnet, doch dieser Fehler wurde nie öffentlich richtiggestellt und kommuniziert.

Mir ist bewusst, dass wir Landwirte uns in einigen Bereichen verbessern müssen und Jungübernehmer sind dazu bereit. Diese Generation sucht nach neuen Wegen, ein modernes, „gesundes“ Denken herrscht vor. Es gibt bereits Fortschritte im Bereich der klimafreundlichen Maschinen. Die Kombination von Tradition und Innovation ist in kaum einer anderen Branche so stark ausgeprägt. Doch die Unterstützung, sowohl öffentlich als auch politisch, fehlt. Die Wertschätzung für einen Beruf, von dem jeder etwas braucht, unabhängig von seiner Ernährungsweise oder Lebensweise, ist nicht vorhanden.

Politisch wurden vor vielen Jahren Maßnahmen ergriffen, die dazu führten, dass unzählige kleine Betriebe ihre Tore schließen mussten, da sie nicht expandieren konnten und keine andere Wahl hatten. Andere Höfe haben sich dadurch vergrößert, was nun unter Massentierhaltung fällt und plötzlich nicht mehr erwünscht ist. Doch man hat bewusst kleine Betriebe in die Enge getrieben und beklagt nun die negativen Auswirkungen – wie den vermehrten Export von Kälbern oder eine höhere Zuchtleistung.

Kleine Betriebe können ihre Flächen viel extensiver bewirtschaften, und die Tiere haben bessere Weidehaltungsmöglichkeiten. Die Erzeugung von viel Futter bedeutet jedoch, dass Tiere nicht mehr vom Frühling bis zum Herbst auf den Weiden gehalten werden können, da die Flächen für das Winter- und Sommerfutter benötigt werden. Das bedeutet, dass viele Blumen nicht mehr wachsen können, weil die Samen fehlen. Diese intensive Bewirtschaftung wurde bewusst gefördert, doch nun möchte man diese Tatsache nicht wahrhaben und sucht nach Schuldigen. Jeder Landwirt versucht, sich an die auferlegten Auflagen anzupassen, aber dieses Spiel kann nicht ewig so weitergehen.

oekoreich: Hast Du schon mal ans Aufhören gedacht? Was waren die Beweggründe dafür?

Uff, ja, das kam schon öfter vor, um ehrlich zu sein. Zum Verständnis: Ich selbst komme nicht aus der Landwirtschaft. Ich habe mir alles selbst angeeignet und mich in diesen Beruf verliebt. Ich kenne also das Leben ohne Bauernhof. Mal habe ich in der Stadt gewohnt und mal auf dem Land. Somit kenne ich auch das Leben als Angestellte und als Selbstständige.

Die Beweggründe sind oft einfach viele kleine Situationen, die sich ansammeln. Da spielt finanzielle Angst eine Rolle, körperliche Erschöpfung, Familienmitglieder, die ausfallen oder sogar gehen. Generationenkonflikte und vor allem die nicht vorhandene Sicherheit, planen zu können. Zum Beispiel kann unser Milchpreis von heute auf morgen fallen. Wir verdienen weniger, müssen aber trotzdem unsere Rechnungen, Kredite, Futtermittel und Erhaltungskosten pünktlich zahlen.

In unserem Betrieb arbeiten viele im Nebenerwerb, das heißt, ein Teil der Familie geht zusätzlich arbeiten. Ich denke, das allein spricht für sich. Ich kenne keinen Unternehmer, der zusätzlich zu seiner 60-Stunden-Woche am Betrieb noch eine 40-Stunden-Woche in einer anderen Firma annimmt. Wir machen das nicht, weil wir Geld wie Heu haben wollen, sondern weil wir sonst nicht überleben können.
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Das Leben der Landwirte ist körperlich anstrengend
oekoreich: Was würdest Du Dir von deinen Mitmenschen, insbesondere von jenen außerhalb der Landwirtschaft wünschen

Wertschätzung für unsere Arbeit. Ein offenes Ohr, um zuzuhören, ein Auge, um selbst zu sehen, und einen Mund, um zu hinterfragen. Eltern, die ihren Kindern beibringen, woher unsere Lebensmittel kommen. Ein Elternhaus, in dem das Selberkochen mit heimischen Produkten wieder normal ist. Dass unsere Kinder lernen, was es bedeutet, wenn man einmal am Tag ohne Ablenkung von Handy und TV zusammen isst und auch wissen, was sie essen und woher ihr Essen kommt. Es gibt keine Tischkultur mehr. Was man seinem Körper an Lebensmitteln zuführt, muss wieder stärker in den Fokus rücken. Statt "viel und billig" brauchen wir "Bewusstsein und Qualität".

Dass ein Tier nicht nur aus Schnitzel und Filet besteht, sondern wir wieder von Kopf bis Fuß alles verwerten müssen. Behutsam einzukaufen und nur das zu kaufen, was man wirklich braucht. Einer der wichtigsten Wünsche ist, sein Kaufverhalten zu überdenken, denn jeder Griff ins Regal ist gleichzeitig eine Bestellung. Am besten kann man uns unterstützen, indem man direkt bei der Bäuerin, dem Bauern kauft. Wenn man keine Möglichkeiten hat, dann bitte auf die Herkunft der Lebensmitteln achten und auf Eigenmarken im Lebenseinzelhandel verzichten.

oekoreich: Was für Anliegen hast Du an die Politik, unabhängig von Parteifarbe, um die Situation der Landwirte in Österreich zu verbessern?

Für unsere Leistung bezahlt zu werden und nicht Almosen zu erhalten, sprich Ausgleichszahlungen zu bekommen. Uns wird unterstellt, dass wir reich seien, weil wir Steuergeld erhalten. Doch dass diese Zahlungen umgerechnet auf ein GVE nur 50 Euro betragen und dies nur minimale Cent-Beträge pro Tag sind, dass wird nicht gesehen.  

Es wäre wichtig, von der Landwirtschaft leben zu können, ohne einen zusätzlichen Job, sodass die Familie und der Hof erhalten werden können. Verpflichtende Fächer wie Lebensmittelkunde und Kochen sollten in den Schulen ab der dritten Klasse der Grundschule zur Pflicht werden. Ansonsten verlieren unsere Kinder die Fähigkeit, sich selbst versorgen zu können.

oekoreich: Wie empfindest Du die Rolle des Lebensmittelhandels und wie die der Konsumenten im Gesamtgefüge? Was würdest Du dir von ihnen wünschen?

Der Handel und die Produktion haben durch unsere Rohprodukte unzählige Möglichkeiten. Doch in der Preisgestaltung werden wir nur minimal beachtet. Hier würde ich mir wünschen, dass der Gewinn auch am Anfang der Wertschöpfungskette ankommt. Momentan werden wieder mehr regionale Produkte aus dem Sortiment genommen und auf Eigenmarken gesetzt. Diese Eigenmarken boomen auch ohne Werbung. Das kann man am Inhalt der Einkaufswägen beobachten. Der Kunde ist nicht bereit mehr für regionale Produkte zu bezahlen. Ich wünsche mir, dass unsere Mitmenschen uns Bäuerinnen und Bauern durch den Kauf regionaler Produkte unterstützen und damit sichergestellt wird, dass wir unsere heimische Lebensmittelproduktion erhalten. Mehr Interesse an dem, was auf der Verpackung steckt und vor allem wer dahintersteht.

oekoreich: Danke für das Gespräch!


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